Spanien wohl endgültig auf dem Weg unter den Rettungsschirm

Nach der massiven Abstufung der Kreditwürdigkeit sind die Zinsen erstmals über die Absturzmarke von 7% gestiegen

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Die Lage wird sehr ernst für Spanien, nachdem die Ratingagentur Moody's am späten Mittwoch die Kreditwürdigkeit des Landes fast auf Ramschniveau gesenkt hat. Es wird immer wahrscheinlicher, dass es angesichts gefährlich hoher Zinsen nicht mehr nur bei der "kleinen Rettung" bleiben wird. Am Wochenende war geplant worden, das Land nur mit einem Kredit bis zu 100 Milliarden Euro aus den Euro-Rettungsfonds zu stützen, damit es seine abstürzenden Banken retten kann.

Wurde erwartet, dass mit der Stabilisierung des angeschlagenen Bankensystems die Nervosität nachlässt und die Zinsen für Spanien sinken würden, war genau das Gegenteil der Fall. Der Risikoaufschlag gegenüber zehnjährigen Bundesanleihen stieg auch am Montag an und erreichte am Dienstag fast wieder das Allzeithoch. Nach der Abstufung durch Moody's um gleich drei Stufen von "A3" auf "Baa3" wurde am Donnerstag dann der Rekord gebrochen. Mit 552 Basispunkten über Bundesanleihen stieg der Zinssatz erstmals zwischenzeitlich . über die Marke von 7%. Sie gilt als "rote Linie", an der Griechenland, Portugal und Irland unter den Rettungsschirm schlüpfen mussten.

Moody's begründete die Abstufung ausgerechnet damit, dass sich mit der Bankenrettung die "Staatsverschuldung weiter erhöht, die schon drastisch seit dem Ausbruch der Finanzkrise angestiegen ist". Hervorgehoben wir der "begrenzte Zugang", den die Regierung wegen hoher Zinsen noch zu den Finanzmärkten habe. Moody's führte auch die "wachsende Schwäche" der spanischen Wirtschaft an, wo Wachstum in den nächsten Jahren nicht in Sicht sei. Deshalb erwartet auch diese Agentur, dass Spanien bald "direkte Finanzhilfe" beantragen wird, sprich unter den EU-Rettungsschirme geht. Wegen der negativen Aussichten wird eine baldige Herabstufung auf Ramsch-Niveau in den Raum gestellt.

Nach einer Krisensitzung am Donnerstag in Madrid, an der neben Ministerpräsident Mariano Rajoy, auch seine Vertreterin Soraya Sáenz de Santamaría, der Wirtschaftsminister Luis de Guindos und der Finanzminister Cristóbal Montoro teilgenommen haben, wurde versucht "Gelassenheit" zu zeigen. Auf der Sitzung bereitete man aber ein Treffen mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia vor, das eilig für Freitag angesetzt wurde.

Streit zwischen Brüssel und Madrid

Zwischen Madrid und Brüssel brechen seit Samstag, als die Euro-Finanzminister Spanien zum begrenzten Rettungsantrag gedrängt haben, massive Widersprüche auf. Rajoy hatte am Sonntag behauptet, der Kredit werde sich nicht auf das Haushaltsdefizit Spaniens auswirken. Doch die EU-Kommission sieht das anders. Die Zinsen, auch wenn sie mit 3 bis 4%% niedrig ausfallen sollen, werden pro Jahr mit drei bis vier Milliarden Euro schwer auf dem spanischen Haushalt lasten.

Um sich nicht noch weiter von den Defizitzielen zu entfernen, werden dafür neue Sparmaßnahmen nötig. Das machte auch die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag in ihrem Juni-Bericht deutlich. Spanien müsse das Defizit "vor allem über die Begrenzung der Ausgaben" reduzieren, heißt es darin. Die EZB gehört mit der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Troika. Sie stellte damit unmissverständlich klar, dass sich ihre Überwachung nicht allein auf das Bankensystem beschränken wird.

Ein gravierender Widerspruch tauchte auf, nachdem Almunia am Mittwoch ankündigte, wenigstens eines der schon im vergangenen Jahr verstaatlichten Geldhäuser werde abgewickelt, weil das für die Steuerzahler billiger käme. Es handelt sich entweder um die "CatalunyaCaixa", die "Novagalicia" oder die "Banco de Valencia". Das dementierte der Wirtschaftsminister jedoch am Donnerstag. Die Regierung "habe nicht vor, ein Geldinstitut abzuwickeln". Allgemein glaubt derlei Dementis in Spanien kaum noch jemand, nachdem die Regierung bis zum Wochenende sogar steif und fest behauptete, keinerlei Geld aus dem Rettungsschirm zu brauchen.

Da die geplante Sanierung des Bankensystems unter der Federführung der Troika ablaufen wird, werden die Aussagen von Almunia ernst genommen. Spanische Konservative machen nun Front gegen den Spanier und fordern seinen "Rücktritt", weil er eine klarere Sprache spricht. Der Sprecher von Rajoys Volkspartei (PP) im Parlament warf dem Wettbewerbskommissar "Unredlichkeit" vor. Rafael Hernando meint, der Spanier "schade" den Interessen seines Landes. Die PP sieht sich zum Widerspruch gezwungen, schließlich hatte Rajoy noch am Mittwoch erklärte, die "Kredite sind für die Banken bestimmt, und es werden auch die Geldhäuser sein, die das Geld zurückzahlen". Wird aber eine verstaatlichte Bank abgewickelt, bleiben die Kosten dafür sicher beim Steuerzahler hängen.

Hatte die Abstufung von Fitch am vergangenen Donnerstag dafür gesorgt, dass Spanien am vergangenen Wochenende zum partiellen Rettungsantrag getrieben wurde, wird nun erwartet, dass die Abstufung von Moody's das Land ganz unter den Rettungsschirm treibt. Rajoy dürfte am Wochenende beim G-20-Gipfel in Mexiko zu definitiven Schritten gedrängt werden. EU-Währungskommissar Olli Rehn hat schon angekündigt, er werde an dem Treffen der 20 größten Wirtschaftsnationen nicht teilnehmen. Er will am Wochenende in Brüssel jederzeit für Krisengespräche erreichbar sein. So dürfte schon bald das Kartenhaus komplett in sich zusammenfallen, das sich die spanische Regierung aufgebaut hat. Da in keinem Land eine Regierung lange den großen Rettungsantrag politisch überlebt hat, kommt die Regierung Rajoy angesichts des desaströsen Krisenmanagements wohl bald in sehr schweres Fahrwasser.