"Islamisches Erwachen in Tunesien und Ägypten"

Der oberste Führer Irans, Ayatollah Khamenei, hört in Tunesien und Ägypten Echos des Sieges der iranischen Revolution

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Die iranische Führung bemüht sich wie gewöhnlich um Distinktion bei der Interpretation der Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten. Während die westlichen Falken daran zu kauen haben, dass der Protest eben nicht, wie als Schreckgespenst an die Wand gemalt, von islamischen Motiven und Organisationen getragen wird, sondern hauptsächlich von der Jugend und einer Zivilgesellschaft, die gegen miserable Lebensbedingungen unter einer autoritären Herrschaft opponieren, hört der "Führer der islamischen Revolution", Ayatollah Khamenei, aus alledem nur die Stimme heraus, die sich seinem Weltbild fügt. Aus seiner heutigen Freitagspredigt zitiert der staatlich finanzierte Sender Press.TV:

"Die aktuellen Entwicklungen in Nordafrika, in Ägypten, Tunesien und einigen anderen Ländern haben für die iranische Nation eine besondere Bedeutung. Sie sind das, was immer mit islamischen Erwachen gemeint war, das von dem Sieg der großen Revolution der iranischen Nation in Gang gesetzt wurde."

Amerikanische Tea-Party-Mitglieder und Kommentatoren des US-Senders Fox dürften sich darüber freuen, dass sie wieder einmal mit Khamenei einer Meinung sind. Für die Protestbewegung, die ganz andere Ziele auf ihre Fahnen geschrieben hat, ist dies eine dreiste Vereinnahmung. Große Parallelen zwischen der iranischen Revolution und der mehrheitlich säkular motivierten Protestbewegungen gibt es nicht. Dafür erhebliche Unterschiede.

Im knüppelharten, gnadenlosen Vorgehen gegen die Jugend-Aufstände, gegen Oppositionelle, Demonstranten, Journalisten, Menschenrechtler und Gewerkschaftler z.B. durch das Anheuern von "Basijis" - bezahlten Schlägertruppen - zeigen sich allerdings schon einige Parallelen.

In ihren Methoden gleichen sich die autoritären Regimes, die sich an alten Ideen festgebissen haben und um ihre Wasserlöcher und Futterstellen fürchten. Das "islamische Erwachen", wie es in frischer, unkonventioneller, freier Form tatsächlich bei nordafrikanischen Islamdenkern zu finden wäre, dürfte Khamenei nicht gefallen - gemeint sind damit u.a. die Bücher der beiden 2009 verstorbenen Philosophen Mohammed Abed al Jabri ( "Kritik der arabischen Vernunft") und Mohammed Arkun ( "Für eine Kritik der islamischen Vernunft") (siehe auch Das Plädoyer des algerischen Soziologen Safir für eine "Kritik der islamischen Vernunft").

Dass Khamenei auf die politischen, säkularen und materiellen Motive der Aufstände in Nordafrika nicht eingeht, dürfte auch in Teilen mit Selbstschutz zu erklären sein. Der Aufstand der iranischen Jugend ist noch in frischer Erinnerung.