Hamburg: SPD-Senat im Law-and-Order-Rausch

Die Hexenjagd des Senats auf die Lampedusa-Flüchtlinge soll selbst Polizeibeamtinnen und -beamten heftige Bauchschmerzen verursachen

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Der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz (SPD), sowie Innensenator Michael Neumann (SPD) haben mehrfach klar gemacht, dass es kein Bleiberecht für die als "Lampedusa in Hamburg" bekannte Flüchtlingsgruppe geben wird. Nun soll im Rahmen der "Operation Lampedusa" deren Identität festgestellt und so letztendlich die Abschiebung vorbereitet werden.

Dabei handelt es sich um eine großangelegte gezielte Personenkontrolle bei allen Menschen, die sich im Stadtteil St. Pauli bewegen und aufgrund ihrer Hautfarbe theoretisch der Lampedusa-Gruppe angehören könnten. Dazu sind seit Freitag vergangener Woche ca. 50 Uniformierte im Einsatz. Diese Maßnahme findet indes wenig Anklang in der Stadt. Selbst den Beamtinnen und Beamten stößt sie offensichtlich sauer auf: So ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, diese ließen sich verstärkt krankschreiben, um sich diesem Auftrag zu entziehen. Polizeisprecher Mirko Schreiber dementierte indes Telepolis gegenüber dieses Gerücht.

Seit April 2013 leben ca. 300 Flüchtlinge afrikanischen Ursprungs obdachlos in Hamburg, die in Libyen ihre zweite Heimat gefunden hatten und durch den Krieg dort vertrieben wurden ( Lampedusa in Hamburg). Etwa ein Drittel von ihnen fand Aufnahme in der St. Pauli Kirche, in Wohnprojekten oder Kulturzentren. Sie organisierten sich, protestieren gegen Krieg und Vertreibung und fordern ein Bleiberecht. Mittlerweile sind sie nicht mehr nur die "armen Opfer", sondern aktiver Teil des politischen, kulturellen und sportlichen Lebens in St. Pauli und darüber hinaus. So gibt es gemeinsame Projekte mit dem FC St. Pauli, mit der Hafenstraße, mit Künstlerinnen und Künstlern, mit Studentinnen und Studenten sowie Gewerkschaftsgruppen.

Ihr Notquartier in St. Pauli erklärten sie zur "Embassy of Hope", doch die "Botschaft der Hoffnung" liegt inmitten des Kingdom of Law and Order, das offensichtlich regiert wird vom King of Hardness. Während Tausende in der Hansestadt mittlerweile die Flüchtlinge in ihrem Kampf um ein Bleiberecht unterstützen, bleiben Scholz und Neumann bei ihrer harten, unnachgiebigen Linie gegen die Flüchtlinge. Sie drohen den Betroffenen mit Abschiebung, setzen ihnen sinnlose Ultimaten, diffamieren deren Unterstützer wie den Pastor der St. Pauli Kirche, Sieghard Wilm, und veranstalten derzeit eine großangelegte Hatz auf Schwarze. Protest dagegen wird mit Hundertschaften aus fünf Bundesländern nebst entsprechendem militärischen Arsenal begegnet. Fast scheint es, als wäre der Senat im Law-and-Order-Rausch, und habe jegliche menschliche Regung wie Mitgefühl einfach abgestreift.

Racial profiling in Hamburg?

Während in ganz Europa das Leid der Flüchtlinge in Lampedusa beklagt wird, und EU- Präsident Martin Schulz (übrigens ebenfalls Sozialdemokrat) die Mitgliedsstaaten eindringlich auffordert, sich aktiv an der Lösung dieses Problems zu beteiligen, bläst ausgerechnet ein Parteikollege, Bürgermeister der reichsten Stadt dieser Republik obendrein, zum Sturm auf die Bastille, bzw. die kleine Oase der Hoffnung auf dem Pinnasberg am Hamburger Hafen.

Laut Polizeisprecher Schreiber findet die Maßnahme im Rahmen des §163 b der Strafprozessordnung, Verdacht des Verstoßes gegen das Aufenthaltsrecht, statt. Die innenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Christiane Schneider, hat daran so ihre Zweifel. Sie hegt den Verdacht, dass der Senat so genanntes "racial profiling" praktiziert, weil nicht aufgrund konkret verdächtigen Verhandelns kontrolliert wird, sondern ausschließlich aufgrund äußerer Merkmale: der Hautfarbe. Kontrolliert werden derzeit alle Menschen, die sich in St. Pauli aufhalten und dem äußeren Anschein, sprich der Hautfarbe nach, der Lampedusa-Gruppe angehören könnten. "Racial profiling" gilt laut eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 3 GG (Beschluss vom 29.10.2012, Az.: 7 A 10532/12.OVG).

In der taz war zu lesen, dass sich unter den Hamburger Polizeibeamtinnen und -beamten ein Unwohlsein in Bezug auf die "Operation Lampedusa" verbreitet, das zu einem erhöhten Krankenstand bis hin zur Wahrnehmung des Remonstrationsrechts in Bezug auf die Räumung der St. Pauli-Kirche geführt habe. Auch am Rande der Protestaktionen wird von Polizeibeamten erzählt, die plötzlich und unerwartet erkrankt seien. Schreiber dementierte Telepolis gegenüber diese Gerüchte. Von einem erhöhten Krankenstand sei nichts bekannt. Außerdem sei es nie die Absicht gewesen, die Kirche zu räumen. "Die Grenze ist die Bordsteinkante."

Nun ist, u.a. durch die Arbeit der Kritischen Polizisten, weithin bekannt, dass sich bei solchen Großeinsätzen unter den Beamtinnen und Beamten immer eine Art Unwohlsein breit macht. Ob es nun tatsächlich wegen der "Operation Lampedusa" zu Krankschreibungen als stillem Protest gekommen ist, wird sich wohl nicht klären lassen. Die Linken-Politikerin Schneider würde sich wünschen, dass die Betroffenen häufiger von ihrem Remonstrationssrecht Gebrauch machten, wie sie Telepolis gegenüber äußerte: "Das heißt, dass sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Weisung geltend machen. Damit würden sie ganz klar die Verantwortung für die Maßnahme an die vorgesetzte Stelle abgeben, selbst wenn sie trotzdem gezwungen würden, daran teilzunehmen. Dieser Vorgang müsste zudem offiziell registriert werden, und könnte von Behörde nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden."

Laut Schreiber soll die "Operation Lampedusa" fortgesetzt werden, bis die Identität aller Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe geklärt ist.