Karol Wojtila wird selig

Medienpapst Johannes Paul II wird "in Rekordzeit" seliggesprochen

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Seit heute steht es fest: Johannes Paul II, der Medienpapst aus Polen, wird am 1. Mai dieses Jahres "in Rekordzeit" seliggesprochen. Karol Wojtila war ein äußerst populärer Pontifex. Er selbst schrieb es der Fürsprache der Muttergottes zu, dass er das Attentat vom 13. Mai 1981 überlebt hatte.

Zu seinen Verdiensten gehören die Weiterentwicklung der scharfen Kapitalismuskritik von Paul VI. beim Einsetzen des "Neoliberalismus", das Festhalten am Anti-Kriegs-Standpunkt seiner Vorgänger (auch gegenüber den USA), der erste Versuch eines öffentlichen Bußaktes für die Verbrechen der Kirche, die Einladung zu geschwisterlichen Treffen aller Weltreligionen in Assisi und eine besondere Verbundenheit mit dem Judentum im Sinne von Johannes XXIII. (in all diesen Punkten hat der deutsche Papst Benedikt XVI. bislang keine besondere Regsamkeit an den Tag gelegt oder sogar Rückschritte bewirkt).

Indessen hat die Wahl von Karol Woytila im Jahr 1978 innerhalb der römisch-katholischen Kirche vor allem einen neuen autoritären Führungsstil und ein Abrücken vom letzten Reformkonzil (1962-1965) eingeleitet.

Antimodernistische Bilanz

In seine Amtszeit fallen - ganz und gar nicht zufällig - die Verurteilung von Reformtheologen wie Hans Küng (1979) und Eugen Drewermann, neue antimodernistische Gehorsamsversprechen aller Amtsträger, eine vorkonziliare Interpretation päpstlicher Machtbefugnis und Unfehlbarkeit, die Kaltstellung der lateinamerikanischen Kirche der Armen und der Theologie der Befreiung (ganz im Sinne der Reagan-Administration, mit welcher der Vatikan bei seiner Ostpolitik kooperierte), die flächendeckende Einsetzung romhöriger Bischöfe (z.T. gegen den Widerstand der Ortskirchen), die Verordnung eines neuen Kirchengesetzbuches, in dem die völlige Rechtlosigkeit der sogenannten Laien festgeschrieben wird und von der kollegialen Kirchenleitung aller Bischöfe nur noch Anhörungsformalia übrigbleiben, die lehramtliche Verkündigung eines reaktionären Frauenbildes, das Diskussionsverbot zur Frage des Frauenpriestertums und ein - von seinem Präfekten Joseph Ratzinger durchgeführtes - Abrücken von der Ökumene mit den evangelischen Christen, deren Kirchen mit einem neuen Dekret gar das Kirchesein abgesprochen wurde.

Zuletzt sind vor allem eine nachlässige Haltung von Karol Wojtila bezogen auf die sexualisierten Gewaltverbrechen von römisch-katholischen Klerikern und in diesem Zusammenhang besonders seine enge Verbindung zu dem skrupellosen Ordensgründer Marcial Maciel Gegenstand der Kritik gewesen.

Kurzfristige Wirkungen, die "spanische Krankheit"

In Anknüpfung an die ultramontane Massenmobilisierung im Katholizismus des 19. Jahrhunderts hatte Johannes Paul II. einen außerordentlich ausgeprägten Sinn für breitenwirksame Medienstrategien. Der mit seinem Namen verbundene Aufschwung des polnischen Katholizismus war allerdings nur kurzlebig. In Polen grassiert heute die "spanische Krankheit", das Phänomen der rasanten Säkularisierung in autoritär geprägten katholischen Ländern. Mit der sehr eilig durchgezogenen Seligsprechung will Rom möglicherweise auch hier gegensteuern.

Rechtsaußenkurs und Seligsprechung

Die Tradition der Seligsprechung ist mehr denn je zu einem völlig willkürlichen Instrument der zentralistischen Kirchenpolitik geworden. Die Armen El Salvadors und ganz Lateinamerikas haben den 1980 ermordeten Märtyrerbischof San Oscar Romero längst heiliggesprochen (siehe Ratzingers Angst vor der Kirche der Armen).

Doch in Rom, wo Romero angesichts der Kirchenverfolgung in seinem Land keinerlei Hilfe erhalten hatte, wird sein Seligsprechungsverfahren verschleppt - unter Anhalten des gegenwärtigen Rechtsaußenkurses wohl bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.