Zeit der Krisen

Die Ausbeutung der Erde kostet 4 bis 4,5 Billionen US-Dollar pro Jahr

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Man weiß längst, wovor nun eine neue globale Untersuchung akut warnt: Dass die Erdbewohner von ihrem Planeten mehr abverlangen, als er ihnen an Ressourcen zur Verfügung stellt. Doch diesmal hat die Warnung eine Referenz zur Verfügung, die es nicht alle Tage gibt: die Finanzkrise.

Hat man gestern erst erfahren, dass der Credit Crunch laut Bank of England geschätzte Verluste im Wert von 2,8 Billionen Dollar mit sich bringt, so beziffert der aktuell veröffentlichte Living-Planet-Bericht (PDF-Datei, 4,35 MB) die ökologischen Kosten, die durch die Ausbeutung der Erde entstehen, auf 4 bis 4,5 Billionen US-Dollar pro Jahr. Die Umrechnung basiert wiederum auf einem UN-Bericht, der die wirtschaftlichen Kosten berechnet, die durch den Ausfall bestimmter Teile des Ökosystems entstehen.

In Prozentzahlen sieht das Ergebnis des Berichts allerdings nicht weniger beindruckend aus: Um 30 Prozent übersteigt unser Ressourcenverbrauch die Menge dessen, was die Erde jährlich wieder regenerieren kann. Die Folgen der Ausbeutung kennt man in diesen Stichpunkten seit Jahrzehnten: Entwaldung, erschöpfte Böden, verschmutzte Luft, verschmutztes Wasser, Überfischung, Schwund der Arten.

Mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung leben demnach in Nationen, die ökologische Schulden machen, in denen der landesweite Konsum das übersteigt, was das Land an "biologischen Kapazitäten" hat. WWF Direktor-General James Leape:

"Die meisten von uns - einschließlich der Wirtschaft, die auf Wachstum aus ist - stützen ihre gegenwärtige Lebensweise auf das Überziehen des ökologischen Kapitals, das von anderen Teilen der Welt stammt. [...] . Wir bräuchten 2030 das Äquivalent von zwei Planeten, wenn wir so weiter wachsen."

Der Living Planet-Bericht, verantwortet vom WWF (ehemals "World Wildlife Fund", jetzt "World Wide Fund For Nature"), der Zoological Society of London ( ZSL) und dem Global Footprint Network ( GFN), der seit 1998 alle zwei Jahre erscheint, arbeitet mit Indizes, die die bekannten Schlüsselwörter der ökologischen Krise mit Zahlen belegen, die deutliche Warnsignale senden sollen. Bislang basierte der Bericht hauptsächlich auf dem Living Planet Index, der von der Zoological Society of London (ZSL) errechnet wird und die Artenvielfalt und Zahl der Tiere als Indikator nimmt.

Dieser Index verzeichnet einen Rückgang um 30 Prozent seit 1970 bei ungefähr 5000 erfassten Populationen von 1.686 Spezies. Als Gründe für die "dramatischen Verluste" werden Entwaldung, die Umwandlung von Land in den Tropen, der Einfluss von Staudämmen, Umleitung von Flüssen und die Auswirkung des Klimawandels auf Frischwasserfische angeführt; dazu kommen verheerende Schäden durch Überfischung.

Neu hinzugekommen sind dieses Jahr Indizes, welche die Kohlendioxidemissionen als Signal-Wert für den oft zitierten menschlichen Fußabdruck auf der Erde in den Bericht mitaufnehmen. Die entsperchende Analyse stammt vom Global Footprint Network (); sie errechnet den globalen Wert der "Biokapazität", die dem Land entspricht, das nötig wäre, um unsere benötigten Ressourcen wiederaufzufüllen und die CO2-Emissionen aufzufangen. Der Wert läge bei weltweit durchschnittlich 2,1 Hektar pro Person; der Fußabdruck ist aber weitaus größer, er bräuchte 2,7.

Ökologisches Deficit-Spending nennt das GFN-Chef Mathis Wackernagel und stellt ernsthafte ökonomischen Konsequenzen in Aussicht, die man sich derzeit besser denn je realistisch vorstellen kann:

"Einschneidend begrenzte Ressourcen und ein kollabierendes Ökosystem, die zu einer massiven Stagflation führen, steigende Nahrungs- und Energiekosten und Investitionen, die im Wert fallen."