Isländer lehnen feste Frist und Verzinsung erneut ab

Auch das zweite Bailout-Änderungsabkommen zwischen der isländischen, der britischen und der niederländischen Regierung scheitert am Volk

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Das isländische Geldinstitut Landsbanki hatte eine Internettochter namens Icesave, die vor allem in Großbritannien und den Niederlanden mit hohen Zinsen um institutionelle Anleger warb. 2008 platzte das Icesave-Geschäftsmodell, worauf hin die britische und die Niederländische Regierung den in ihren Rechtsräumen ansässigen Anlegern zusicherten, die Verluste zu sozialisieren. Über wirtschaftlichen und diplomatischen Druck versuchte man anschließend, für die Milliardenforderungen die etwa 318.000 Isländer zur Steuerkasse zu bitten. So nutzte etwa die britische Labour-Regierung den 2001 beschlossenen Anti-Terrorism, Crime and Security Act um sämtliche isländischen Staatsgelder einzufrieren

Die isländische Regierung übernahm im Oktober 2008 die Landsbanki, gliederte einen Teil (der heute fast zur Hälfte dem Milliardär Björgolfur Thor Björgolfsson gehört) aus und behielt deren Schulden. Der britischen und der niederländische Regierung war diese Verstaatlichung zu wenig: Sie diktierten ihren isländischen Kollegen ein Änderungsgesetz, dass eine sehr schnelle Begleichung der Ansprüche ohne Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Situation Islands vorsah. Dieses Änderungsgesetz kippte das isländische Volk 2010 mittels eines Referendums, das möglich wurde, weil Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson sich gegen das politische Establishment stellte und dem Abkommen seine Unterschrift verweigerte.

Nach diesem ersten Referendum handelte man ein neues Änderungsabkommen aus, das jedoch mit einer Zahlungsgarantie bis 2046 und einer Verzinsung der eigentlich verspielten Gelder mit bis zu 3,3 Prozent immer noch sehr unvorteilhaft für die isländischen Steuerzahler ausgestaltet war. Wenig überraschend lehnten sie dieses zweite Änderungsabkommen am Wochenende erneut ab. Mit knapp 60 Prozent war die Mehrheit dabei zwar nicht mehr so überwältigend wie bei der ersten Volksabstimmung, aber immer noch sehr deutlich - da nutzten auch Drohungen mit der EU, dem IWF und einer Klage vor dem EFTA-Gerichtshof nichts.

Die von einer rotgrünen Koalition getragene Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir, die für eine Annahme des Abkommens geworben hatte, wollte nach ihrer Niederlage Neuwahlen zwar nicht explizit ausschließen, suggerierte mit ihrer Ordnungsrhetorik aber eher einen Verbleib im Amt. Dieser hängt auch davon ab, ob noch mehr Abgeordnete als bisher die Regierungsfraktionen verlassen.

In Deutschland begrüßte der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko den Ausgang des isländisches Referendums und lobte es als Vorbild für andere europäische Länder, die mehrheitlich "die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die öffentlichen Haushalte abwälzten". Mit Volksabstimmungen könnte seiner Ansicht nach das Prinzip der Privatisierung der Gewinne bei gleichzeitiger Sozialisierung der Verluste "durchbrochen" werden.