Die Selbstabschaffung des deutschen Fernsehens - Update

Eine persönliche Stellungnahme und Antwort des Autors auf gerechte Kritik

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Behauptung "50 Prozent aller Rundfunk-Gebühren entfallen zur Zeit allein auf Zahlung der Rentenbezüge", wie sie hier am vergangenen Mittwoch veröffentlicht wurde, ist nicht zu halten. Hierfür trage ich die Verantwortung. Es trifft zwar nun zu, dass mir genau diese Zahl von einer hochrangig angestellten Person eines öffentlichen-rechtlichen Rundfunksenders (ÖR) in einem Gespräch "im Vertrauen" während der vergangenen Tage mitgeteilt wurde. Ich habe mir aber vorzuwerfen, dass ich sie zu schnell in meinen Text übernommen habe. Es gab zwar überprüfende Anfragen meinerseits bei den Pressestellen zweier Sender, bei denen man mir, wie im Text berichtet wurde, mitteilte, dazu mache man grundsätzlich keine Angaben. Aber natürlich wäre es besser gewesen, das noch ausführlicher zu recherchieren.

Zwar gilt auch hier leider, was ein Leser schrieb: "Gute Reportagen und investigativer Journalismus müssen lange recherchiert werden und kosten deshalb mehr Geld, als man durch ein paar Werbespots, bei verhältnismäßig geringer Einschaltquote, wieder einspielen kann" - weshalb dies mir als komplett freiem Autor ganz offen gesagt leider nur selten in wünschenswerter (und manchmal gebotener) Weise möglich ist. Aber dies ist trotzdem keine Entschuldigung.

Jetzt könnte man zwar auch darüber räsonnieren, was es denn über den ÖR sagt, dass man solche Informationen erstmal glaubt, bzw. hier immer mit dem worst case rechnet, aber das würde dann wie eine Ausrede klingen, und das soll es nicht.

Oder sollte ich mich doch verhört haben? Die Gesamtausgaben des ÖR für Personalkosten und daraus folgende Beträge liegen jedenfalls weit unter den erwähnten 50 %. Ich vermute - wie gesagt: nur eine Vermutung - dass die Person, mit der ich gesprochen habe, die Gesamthöhe der Rentenzahlungen für Ex-ÖR-Beschäftigte mit der Gesamthöhe der Rundfunkgebühren verglichen hat, und so die Zahl von 50% der Gebühren zustande kam. Tatsächlich gehen von den Gebühren selbst nur die Zahlen für die Betriebsrenten ab, die zusätzlich zur gesetzlichen Rente bezahlt werden und überdies die entsprechenden Beitragszahlungen für derzeit Beschäftigte. Die Betriebsrenten allein haben zwar die beträchtliche Höhe von im Durchschnitt 1500 Euro pro öffentlich-rechtlichem Ruheständler. Das liegt trotzdem weit unter den genannten 50 Prozent.

Grundsätzlich halte ich allerdings daran fest, dass es gerade der Sinn von Blogs mit ihrer Möglichkeit zur Leserreaktion ist, auch das zu publizieren, was ich hier mal "partytalk" nennen will. Da hört man nämlich neben reinen Gerüchten immer wieder Dinge, die namentlich nie zur Veröffentlichung gesagt werden und trotzdem stimmen.

Es ist ja auch ein Fakt, dass zwar über die unbestreitbar falschen Zahlen viel angemessene Kritik ausgeschüttet wurde, dass diese Zahlen aber keineswegs die einzigen Fakten meines Textes sind. Die übrigen Angaben blieben bisher unbestritten und unkritisiert.

Neben Informationen, die Pressemitteilungen der Sender zu entnehmen sind, und Veröffentlichungen der AG dok und des Kulturstaatsministers, die man dann aber nur in wenigen Medien und nur zu einem Teil nachlesen konnte, gibt es darin zum Beispiel auch den Hinweis aufs "Kleine Fernsehspiel" des ZDF. Dass im Jahr 2010 die Kinoproduktions-Gelder bereits bis Anfang 2012 ausgegeben sind, und diese überaus wichtige Redaktion daher für über ein Jahr quasi lahmgelegt ist, scheint beispielsweise keinen zu interessieren. Dementiert wird diese Information aber auch nicht.

Der Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten ( KEF) , auf deren Website ja anscheinend ein Großteil der TP-Leser regelmäßig nachschaut, war mir leider nicht bekannt. Wenn ich es richtig verstehe, bieten nun die KEF und ihre Daten zwar einen recht genauen Anhaltspunkt für Verwendung der Gebühren, aber keineswegs das Gleiche wie die von mir erhoffte/gewünschte "Transparenz bei der Verwendung von Rundfunkgebühren" und Offenlegung für die einzelnen Sender. Oder wo stehen denn die tatsächlichen Angaben, aufgeschlüsselt nach einzelnen TV-Sendern? Die Haushalte der Sender - nicht online, aber offenbar gedruckt bestellbar - sind ungefähr sechsmal so dick wie der KEF-Bericht und so verklausuliert, dass sie nur Fachleute verstehen - aber selbst Rundfunkräte nicht.

Wenn ich nun in dem Bericht lese, ist es mit der wünschbaren Transparenz auch in anderer Hinsicht nicht so weit her. Zwar heißt es: "Die betriebliche Altersversorgung bleibt aufgrund ihres Gesamtvolumens von erheblicher Bedeutung für den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten." Und weiter: "Die Anstalten haben über den aktuellen Stand der Bemühungen zur Umsetzung personalwirtschaftlicher Maßnahmen zur Gewährleistung und Verbesserung ihrer Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berichtet. Allerdings bleiben die Aussagen sehr allgemein und enthalten nur vereinzelt Quantifizierungen."

Ansonsten gibt es zu Erläuterung im KEF-Bericht dann viele Tabellen und sehr viele Zahlen, diverse Unterscheidungen nach Netto und Brutto, Aufschlüsselung und Differenzierung noch und nöcher. Ist bestimmt alles ganz richtig und unanfechtbar so, und Stefan Niggemeier freut sich in seinem Bildblog (vgl. Lolas Rente) , dass sich die Kommission "sogar die Mühe gemacht [hat], den Nettoaufwand zu errechnen, der neben den Ausgaben für die Altersvorsorge auch korrespondierende Erträge berücksichtigt und die 'effektive Belastung des Gebührenzahlers' darstellen soll."

Ein allererster Lektüre-Eindruck führt allerdings zu einer mindestens durch Zahlenwust getrübten Darstellung. Vielleicht bin ich auch einfach im Bilanzlesen ungeübter, als Herr Niggemeier, aber ich lese dort im Punkt "Aufwendung für die Altersversorgung der Rundfunksanstalten" (S.85) von - in Millionen Euro - rund 510 im Jahr 2009 und 481 im Jahr 2010 allein für die ARD, für das ZDF nochmal 74 bzw. 72, für DRadio 18 bzw. 17 Millionen Euro. Das heißt man kommt für 2010 auf einen Gesamtbetrag von rund 570 Millionen Euro (brutto).

Unter dem gleichen Punkt - "2.2. Betriebliche Altersversorgung" - sind dann freilich noch weitere zusätzliche Kostenpunkte aufgelistet: Zusammengerechnet weitere 420 Millionen Euro sind für den ÖR für 2010 als "kassenwirksame Versorgungsleistungen und Pensionskassen" angesetzt, womit der Gesamtbetrag mit 990 Mio schon erheblich höher liegt als bei 5 Prozent der Gebühren. Hinzu kommen Abschnitte über die tendenziell steigenden Deckungsstocklücken bei den Anstalten, die laut KEF-Bericht, der von "unzulässiger Praxis" spricht, auch bis Ende 2016 nicht geschlossen sein wird.

Als ungeübter Bilanzen-Leser muss ich, da ich nicht so schnell bin, wie Herr Niggemeier und manch' kluger TP-Leser, mir die Zeit nehmen, das alles genau zu lesen, um dann hoffentlich besser zu verstehen, wo die TV-Gebühren vom Programm mal abgesehen, so hingehen. Das ist damit gemeint: wenn es heißt: "Nachdem die Zahlenangaben für viel Unruhe gesorgt haben, will der Autor demnächst dazu weiter berichten."

Das Warten darauf könnte sich hoffentlich nicht nur für mich lohnen: Wenn ich mich nicht verlese oder verrechne, ist im aktuellen KEF-Bericht zum Beispiel von einem "Programmbedarf" in Höhe von 229 (ARD) bzw. 94 (ZDF) Millionen Euro die Rede, im Verhältnis zu Personalaufwendungen (ohne Betriebs-Renten) in Höhe von 1400 bzw. 266 Millionen.

Die interessanteste Frage - zu der womöglich auch die langjährige ZDF-Archivarin Lola Öber-Klöben (Name geändert) ihre eigenen Ansichten hat - scheint mir zusammenfassend folgende: Wieviel würden die Sender eigentlich sparen, wenn sie nur ein Testbild senden würden?