Spanische Ärzte lehnen sich gegen Behandlungsverbot von illegalen Einwanderern auf

Die Regierung will eine Milliarde Euro sparen, in einigen Regionen wird das Dekret aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt

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Der 1. September rückt näher und dann dürfen Ärzte in Spanien Flüchtlinge oder Einwanderer nicht mehr kostenlos behandeln, die über keinen legalen Aufenthaltsstatus verfügen. Die konservative Regierung will damit eine Milliarde Euro sparen. Sie sollen nur noch in Notfällen in den Notaufnahmen versorgt und gegen Bezahlung geheilt werden. Ausgenommen sind Minderjährige und Schwangere.

Für den Allgemeinmediziner José María Molero ist es ein Unding, dass er Menschen am 31. August im Gesundheitszentrum Villaverde Alto in Madrid heilen darf, aber einen Tag danach abweisen oder abkassieren soll. Mit 300 Ärzten in Madrid stellt sich Molero gegen das Vorhaben und fordert das Recht, "heilen zu dürfen".

Schon mehr als 1400 Mediziner haben sich der Kampagne angeschlossen, die der Verband der Hausärztevereinigungen (Semfyc) und die Hilfsorganisation Ärzte der Welt gestartet. Ein Video wurde veröffentlicht und in einem Schreiben an die Gesundheitsbehörde erklären Mediziner, sie würden sich aus Gewissensgründen dem Königlichen Dekret 16/2012 widersetzen: "Die Treue gegenüber meinen Patienten macht es unmöglich, gegen meine ethischen Berufspflichten zu verstoßen." Die Mediziner beantragen deshalb, von einer möglichen Sanktion wegen Verstößen abzusehen. Neu ist das nicht, denn aus Gewissengründen weigern sich auch katholische Ärzte, Abtreibungen vorzunehmen. Obwohl darauf ein Anspruch besteht, werden auch sie dafür in Spanien nicht bestraft.

Eduardo Gutiérrez (Name geändert) fühlt sich ungerecht behandelt. Der Einwanderer aus Ecuador weist zurück, "Illegaler" von der Regierung genannt zu werden. "Ich bin legal nach Spanien eingereist und habe mit Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung auf dem Bau gearbeitet." Da in Spanien mit dem Verlust eines Jobs aber auch die Arbeitserlaubnis und damit auch die Aufenthaltsgenehmigung erlöschen kann, ist auch sein legaler Status geplatzt, als 2007 die Immobilienblase zu platzen begann.

"Wir sollen jetzt eine Krankenversicherung abschließen", sagte Gutiérrez. Doch die kann der Arbeitslose, der wie etwa zwei Millionen Menschen im Land jeden Anspruch auf Arbeitslosengeld und Sozialgeld verloren hat, nicht bezahlen. Für ihn und seine Frau kostet die Versicherung 710 Euro im Jahr, für die Mutter seiner Frau sogar 1865 Euro. Die Familie müsste im Monat zusätzlich 274 Euro im Monat aufbringen, doch sie kann sich schon jetzt mit gelegentlicher Putzjobs und dem Sammeln von Schrott kaum über Wasser halten. Eine Stelle zu finden, um wieder einen legalen Status zu erhalten, sei bei einer Rekordarbeitslosigkeit von 25 Prozent irreal. Bei Einwanderern ist der Durchschnitt noch deutlich höher.

Gutiérrez ist entsetzt, dass die Gesundheitsbehörde in Madrid in Schreiben an die Ärzte, die sich gegen dem Dekret stellen, davon spricht, er sei "rechtslos". Die Behörde argumentiert, Ärzte würden nicht vor eine Gewissensentscheidung gestellt, denn kranke Einwanderer kämen gar nicht bis ins Behandlungszimmer. Sie erhielten im zuständigen Gesundheitszentrum keinen Termin oder würden schon am Empfang abgewiesen. So wurde der oben angesprochene Antrag einer Ärztin in Madrid abgelehnt.

"Wir haben noch Glück, weil niemand in der chronisch krank ist", sagt Gutiérrez. Aber ein Freund sei verzweifelt. "Er hat Krebs." Wie er die Behandlung bezahlen soll, wisse der nicht. Dass die Regierung vom "Gesundheitstourismus" spricht, die dafür Familienangehörige ins Land geholt hätten, sei Unsinn. Menschen ohne gültige Papiere überlegten es sich aus Angst vor Abschiebung stark, ob sie überhaupt zum Gesundheitszentrum gingen. Es ist bekannt, dass die Polizei auch dort auf der Jagd nach Flüchtlingen oft Papiere derer prüfen, die durch ihr Aussehen auffielen. Der Freund überlege, zu Freunden nach Andalusien zu ziehen, was aber mit der Familie nicht ginge. In Andalusien, dem Baskenland, Katalonien, Asturien und den Kanarischen Inseln wird das Dekret nicht umgesetzt. "Es ist ein Unfug", sagte der stellvertretende Ministerpräsident Andalusiens. Der linke Diego Valderas (IU) hält es für unsolidarisch, denn "Geld wird über den Menschen gestellt".

Dass es sich keine ideologische Entscheidung handelt, zeigt sich daran, dass die Ablehnung quer durch das Parteienspektrum geht. Auch die regierenden konservativen Nationalisten der CiU in Katalonien lehnen das Dekret ab. Die Argumentation in den fünf Autonomiegebieten ist vielfältig. Verwiesen wird auf allgemeingültige Menschenrechte. Würden ansteckende Krankheiten nicht behandelt, könnten sie sich besser verbreiten, was für das Gesundheitswesen sogar teurer werde. Zudem spitzten sich viele Krankheiten zu, dass sie zum Notfall würden. Der müsse wieder behandelt werden, womit aber die Notaufnahmen noch stärker belastet würden und kollabieren könnten.