Proteste gegen IWF-Politik in Rumänien

Wie in Ungarn könnte auch in Rumänien die extreme Rechte vom Unmut über der Bevölkerung profitieren

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Die Proteste gegen die Sparpolitik der rumänischen Regierung weiten sich aus. Am Sonntagabend kam es in der Hauptstadt Bukarest erstmals zu militanten Auseinandersetzungen, nachdem Demonstranten die Polizeiketten durchbrochen hatten. In den Medien wird von mehr als 50 Verletzten gesprochen, die große Mehrheit waren Demonstranten. 29 Personen wurden festgenommen.

Sofort war irreführend von unpolitischen Fußballfans und Hooligans die Rede. Die Teilnahme von rechtsgerichteten Fußballfans, die nationalistische Parolen wie "Rumänien erwache" riefen, ist sicher ein Ausdruck davon, dass Parteien und Gewerkschaften in Rumänien bei der Protestbewegung keine große Rolle spielen. Doch schon immer waren Fußballclubs auch in Rumänien mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung. Sie haben auch als Ersatz für politische Organisationen gedient. Schon lange ist dort die großrumänische Ideologie auf fruchtbaren Boden gefallen. Die scheinbaren Verlierer der Wende richten ihren Frust gegen Roma, Juden und andere Minderheiten und träumen von einem Großrumänien. Solche Stimmungen wurden in der Vergangenheit von unterschiedlichen rumänischen Regierungen instrumentalisiert und gegen die Opposition eingesetzt.

Schon in den frühen 90er Jahren mobilisierte die als Sozialdemokraten firmierenden Nachfolger der Nationalkommunisten nationalistische Bergarbeiter aus der rumänischen Provinz nach Bukarest, um die Proteste der konservativen und liberalen Opposition niederzuschlagen. Mittlerweile haben diese Kräfte schon lange die Regierungsgewalt in Rumänien inne und bewiesen, dass sie genau so populistisch, machthungrig und bestechlich sind wie die Nachfolger Ceausescus. So lieferten sich im Jahr 2007 monatelang zwei Politiker des konservativ-liberalen Lagers einen Machtkampf ohne Rücksicht auf die staatlichen Institutionen. Dabei setzte sich der rechtspopulistische Präsident Traian Basescu gegen den nicht minder konservativen Ministerpräsidenten Calin Popescu Tariceanu durch. Der Präsident erwies sich als der geschicktere Populist und konnte einen großen Teil der Bevölkerung auf seine Seite bringen und dabei die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfüllen. Diese Fähigkeit scheint ihm jetzt abhanden zu kommen. Die Proteste der letzten Tage richten sich vor allem gegen den Präsidenten. Sein Rücktritt wird gefordert.

IWF-Diktat in der Kritik

Zu den vom IWF aufoktroyierten Wirtschaftsmaßnahmen gehörte die Einfrierung der Renten, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Privatisierung des Gesundheitswesens. Der unmittelbare Anlass für die Proteste war die vom Präsidenten geplante Privatisierung des nationalen Rettungsdienstes und die Entlassung eines parteilosen Staatssekretärs, der dagegen opponierte.

Für einen Großteil der Bevölkerung brachte diese Wirtschaftspolitik eine noch stärkere Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Schließlich sind in den letzten Jahren die Preise und Lebenshaltungskosten erheblich gestiegen. Bei den Löhnen gehört Rumänien noch immer zu den europäischen Schlusslichtern. Lange Zeit hat die Hoffnung auf einer Besserung der sozialen Situation durch eine EU-Mitgliedschaft einen großen Teil der Bevölkerung von Protesten abgehalten. Die Freude über die EU-Mitgliedschaft war in großen Teilen der Bevölkerung weit verbreitet. Anders als etwa in Polen oder Ungarn hält die rumänische Regierung noch immer an einer baldigen Einführung des Euro fest.

Doch die Geduld der Bevölkerung scheint zu Ende zu gehen. Es wird sich zeigen, ob sich der wendige Präsident noch einmal halten kann und der Aufruf zu einem nationalen Dialog Gehör findet. Eine politische Alternative hat auch die parteipolitische Opposition nicht zu bieten. Daher könnte wie in Ungarn auch in Rumänien die immer schon starke, offen chauvinistische Rechte vom Unmut der Bevölkerung, von der Diskreditierung aller großen Parteien und vom Fehlen emanzipatorischer Perspektiven in der Gesellschaft profitieren.