Schäuble will den starken Währungskommissar

Er soll über die Haushalte der EU-Staaten wachen und "weltweit so gefürchtet sein, wie es der Wettbewerbskommissar bereits heute ist"

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Ist das ein Versuchsballon? In großer Höhe, im Flugzeug über dem Indischen Ozean, hat Bundesfinanzminister gestern Journalisten seinen Weg aus der europäischen Krise vorgestellt. Im Zentrum steht ein Amtsmann, ausgestattet mit großen Befugnissen: der Haushaltskommissar, auch Währungskommissar genannt. Dieser soll künftig ein scharfes Auge auf die Haushalte wirtschaftlich schwächelnder Mitglieder richten. Wenn das Budget gegen EU-Regeln verstößt, also Sparauflagen ( "genehmigte Werte"), nicht befolgt, kann er das Haushaltsgesetz zurückweisen. Der Haushaltskommissar muss in der Vorstellung Schäubles "weltweit so gefürchtet sein, wie es der Wettbewerbskommissar bereits heute ist".

Der starke Amtsmann selbst müsste keine Hindernisse bei seiner Tätigkeit fürchten. Seine Entscheidungsgewalt über den Haushalt bedarf keiner Rücksprache mit anderen EU-Vertretern, auch nicht mit dem Kommissar des betroffenen Landes, damit nicht im Vorfeld blockiert wird. "Bei allen Dingen, die im EU-Stabilitätspakt geregelt sind, soll der Haushaltskommissar allein vorgehen können." Ein paar Grenzen werden seinen Befugnissen schon gesetzt. Er soll nicht in Einzelentscheidungen der staatlichen Haushalte eingreifen dürfen. Er darf auf der Senkung der Neuverschuldung bestehen, nicht aber vorgeben, wie dies in einzelnen Schritten zu machen sei, etwa über die Anhebung bestimmter Steuern oder Sozialkürzungen.

Nach demokratischer Machtausübung, die von Mehrheitsbeschlüssen, Gegenstimmen und Einsicht in die politischen Prozesse getragen ist, schmeckt der Plan nicht, eher nach einer technokratischen Sehnsucht Richtung rechnerisch und fachmännisch sauberer Entscheider-Lösungen, die in einem abgeschlossenen Raum gefunden werden, und denen sich kein behäbig agierendes Gremium in den Weg stellen soll.

So bemerken Medienberichte über Schäubles starken Kommissar, dass der Finanzminister möglicherweise aus solchen Bedenken heraus, auch Ideen dazu äußerte, die Rechte des EU-Parlaments zu stärken. Allerdings weitaus weniger konkret, als er dies bei den Durchsetzungsrechten des Währungskommissars tat. Es geht ihm dabei im Prinzip um das selbe Muster: Entscheidungen sollen durchgesetzt werden können und nicht gebremst, dafür will er die Abstimmungsmechanismen schneller machen. So sollen nur mehr Vertreter der Länder entscheiden, die von der jeweiligen Abstimmung betroffen sind. Geht es um Fragen des Schengener Abkommens, dann nur die EU-Parlamentarier aus Ländern, die es unterzeichnet haben. Geht es um die Währung, dann nur die Abgeordneten aus Ländern der Euro-Zone - so wäre etwa Großbritannien bei solchen Fragen draußen.

Die Frage ist, ob Großbritannien und die anderen europäischen Ländern bei diesen deutschen Plänen mitmachen. Ob Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Irland die Idee eines Sparkommissars deutscher Prägung mit derartigen Kompetenzen für gut befinden? Für die Einrichtung eines solchen Machtpostens wären Vertragsveränderungen und lange Verhandlungen nötig und dies zu Zeiten, in denen deutsche Ansprüche, die an Europa gestellt werden, bei den Landesbevölkerungen nicht besonders gefragt sind. Frankreich, auf dessen Unterstützung es maßgeblich ankäme, würde wahrscheinlich erst, wenn dort die Wirtschaftskrise schlimmer wird, Bereitwilligkeit zeigen. Schäuble hat jedenfalls schon mal einen Versuchsballon gestartet, in Absprache mit dem Kanzleramt, wie er betont.