Kommunale Fahrradsteuer?

Ein Leipziger CDU-Stadtrat will mit der Idee eine Debatte über den Unterhalt von Radwegen anstoßen

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Derzeit haben Räum- und Streudienste überall in Deutschland viel zu tun. Die Straßen für die Autofahrer räumen die Gebietskörperschaften und die Bürgersteige für die Fußgänger die Hausbesitzer. Radwege bleiben dagegen mancherorts ungeräumt, weil man davon ausgeht, dass sie bei Minustemperaturen nur von einer verschwindend kleinen Minderheit genutzt würden. Das kritisiert der ADFC, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, der meint, man könne "auch im Winter viel Spaß beim Radfahren" haben. Die Stadt Leipzig forderte er deshalb dazu auf, ihren Winterdienst auf diese Wege auszudehnen.

Der Leipziger CDU-Stadtrat Konrad Riedel empfand diese Forderung als "polemisch", weil für Fahrradfahrer im Falle einer verschneiten oder vereisten Sonderfahrbahn die ohnehin nur an besonderen Gefahrenstellen bestehende Benutzungspflicht entfällt, weshalb sie in solchen Fällen auf der Straße fahren dürfen. Riedel reagierte deshalb mit dem (nach eigenen Worten) "ähnlich polemischen Vorschlag" einer kommunalen Fahrradsteuer zur Finanzierung der Sonderinfrastruktur.

Der Vorstoß des CDU-Politikers entfachte in der sächsischen Stadt eine lebhafte Debatte, die unter anderem auf Facebook geführt wird. Am empörtesten reagierten bisher die Grünen. Deren Leipziger Sprecher Jürgen Kasek hält den Vorschlag alleine deshalb für Unsinn, weil es keine gesetzliche Grundlage für zweckgebundene Steuern gibt. Eine kommunale Fahrradabgabe könnte jedoch – ebenso wie kommunale Hundesteuern – in den allgemeinen Haushalt fließen und von dort aus zum Unterhalt der Leipziger Radwege beitragen.

Die Idee einer Fahrradsteuer ist allerdings keine Erfindung Riedels, sondern wurde bereits 1893 in Frankreich umgesetzt. In den Niederlanden trug das 1924 eigentlich zur Haushaltssanierung eingeführte und erst drei Jahre später mit einer Zweckbindung versehene Abgabeninstrument maßgeblich dazu bei, dass Fahrradfahrer bereits in den 1930er Jahren beim Straßenbau separate Spuren zugewiesen bekamen. Abgeschafft wurde die niederländische Fahrradsteuer erst 1941. Verantwortlich dafür zeichneten die nationalsozialistischen Besatzer, deren örtliche Quislinge sich durch die Rücknahme der als "unsozial" gebrandmarkten Abgabe einen Popularitätsschub in der Bevölkerung erhofften, welcher jedoch ausblieb.