Katalanische Unabhängigkeit spaltet spanische Sozialisten

Nun fordern auch die katalanischen Sozialisten gegen die Parteizentrale das Selbstbestimmungsrecht

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Die spanische Sozialdemokratie steht vor der Zerreißprobe. Die Sozialistische Arbeiterpartei Spanien (PSOE) hat am Mittwoch entschieden, katalanische Abweichler zu bestrafen , womit die Gräben noch tiefer werden. Erstmals in 35 Jahren hatte sich die katalanische PSC, eine eigenständige Partei, im Madrider Parlament dem PSOE-Fraktionszwang widersetzt. Die PSC stimmte am späten Dienstag für einen Antrag, der auf das Selbstbestimmungsrecht Kataloniens zielt. Das hat zu Entrüstung in der PSOE gesorgt. Der einstige Vize-Regierungschef Alfonso Guerra fordert, die Beziehung zur PSE abzubrechen. Die PSOE-Führung überlegt nun, die PSC aus dem Führungsgremium zu verbannen.

Der Antrag fordert von der Zentralregierung, mit der katalanischen Regionalregierung in Barcelona in Verhandlungen zu ermöglichen, dass die Katalanen 2014 in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts über ihre Unabhängigkeit von Spanien abstimmen können. Darauf haben sich auch Briten und Schotten zivilisiert geeinigt. Die katalanische Regierungskoalition aus Konvergenz und Einheit (CiU) und Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) will das ebenfalls erreichen, nachdem sie mit dieser Forderung die Wahlen gewonnen hat. Der Sprecher der Regionalregierung Francesc Homs spricht von einer "historischen Entscheidung" der PSC.

13 PSC-Parlamentarier haben für den Antrag gestimmt, nur die frühere Verteidigungsministerin Carmen Chacón versuchte den Gang durch die Mitte und enthielt sich. Sie bot deshalb PSC-Chef Pere Navarro ihren Sitz an. Doch der will Chacón nicht ersetzen. "Ob sie bei uns weitermacht oder nicht, muss sie mit ihrem Gewissen klären", sagte er am Mittwoch. Er ist überzeugt, Chacón sei nur aus der PSC-Linie ausgeschert, um ihre Optionen auf den Posten des PSOE-Generalsekretärs zu wahren. Denn die beliebte Katalanin war im vergangen Frühjahr als Rivalin von Alfredo Pérez Rubalcaba nur knapp gescheitert, ihr fehlten nur 22 Stimmen. Dessen Stuhl wackelt seither aber immer stärker.

Chacón hat Navarros Auslegung zurückgewiesen. Im Interview mit der Radiokette "Ser" erklärte sie, man benötige ein "sozialistisches Projekt, in dem Katalonien und Spanien Seite an Seite marschieren". Sie wolle keinen "Sezessionsprozess" unterstützen, weshalb sie nicht für derlei Anträge stimmen werde. Sie stellt sich damit gegen historische Positionen der PSC, die stets für das Selbstbestimmungsrecht eintritt. In der Partei gibt in der Frage zwei Strömungen: eine tritt für die Unabhängigkeit von Spanien ein, die andere fordert zwar das Selbstbestimmungsrecht, will aber beim Referendum für den Verbleib stimmen.

Das könnte auch Chacón vertreten, weshalb ihre neue Argumentation nicht überzeugt. Sie weiß nur zu gut, dass auch die zweite Strömung ein rotes Tuch für spanische Nationalisten ist. Aber ihre PSC-Kollegen haben ihr sogar einen Gefallen getan. Denn Rubalcabas Führung wurde nun erstmals offen in Frage gestellt und seine Position noch schwächer. Dass die PSOE bei allen Wahlen 2012 - trotz der Unzufriedenheit mit der Politik der konservativen Volkspartei (PP) - massiv an Zustimmung verlor, hat längst Forderungen laut werden lassen, schnell eine neue Führung zu wählen.

Die Partei sackt in der Wählergunst weiter ab, obwohl die PP bis hinauf zu Ministerpräsident Mariano Rajoy von massiven Korruptionsvorwürfen erschüttert wird. Die PP stürzte zuletzt bei Umfragen auf ihren schlechtesten Wert seit 1993 ab, aber die PSOE profitiert davon nicht. Sie bleibt nach neuen Umfragen sogar noch hinter den Ergebnissen zurück, mit denen Rubalcaba die Parlamentswahlen im November 2011 verlor.

Der "Superminister" der Regierung Zapatero bleibt farblos und kann den PSOE-Swchenk nicht glaubwürdig vertreten. Sechs Millionen Arbeitslosen glauben ihm nicht, denn unter dem früheren Innenminister, Vize-Ministerpräsident und Regierungssprecher war die Arbeitslosigkeit stark angestiegen und er war federführend daran beteiligt, die Schuldenbremse mit der PP in der Verfassung zu verankern. Hunderttausende, denen eine Zwangsräumung droht, glauben ebenfalls nicht, dass Rubalcaba plötzlich gegen die Räumungen ist. Acht Jahre hatte die PSOE-Regierung nicht an den Gesetzen gerüttelt und gut 300.000 Familien räumen lassen. Und die PSOE hat die Löhne gesenkt und Steuern erhöht, um Banken mit Milliarden zu retten. Die linkere Chacón wittert ihre Chance, damit die PSOE nicht immer neue Stimmen an die Vereinte Linke (IU) oder andere Linksparteien verliert.