Vorsicht bei Hadopi

Französisches Three-Strikes-Gesetz: 159 Fälle könnten vor Gericht kommen, aber die Internetaufsichtsbehörde fürchtet sich vor einer Blamage

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650.000 Warn-Mails hat die französische Internetaufsichtsbehörde Hadopi bis Ende September an Internetuser verschickt, denen ein Zuwiderhandeln gegen Immaterialgüterrechte vorgeworfen wird. 44.000 Mails wurden an Nutzer verschickt, die nach Angaben der "Fahnder" im Dienste von Hadopi - dem Privatunternehmen Trident Media Guard (TMG) - Wiederholungstäter sind. Nun steht die dritte Stufe des Three-Strikes-Gesetzes an: die Sanktionen. Laut neuesten Informationen sind es 159 Fälle, die vor Gericht kommen könnten.

Der Konjunktiv ist angebracht, denn man will - zumindest bei den ersten Fällen - sehr vorsichtig vorgehen. Wie das Three-Strikes-Gesetz in Frankreich angewendet wird, wird in vielen Ländern genau verfolgt und von einer kritischen französischen Öffentlichkeit, die Hadopi von Anfang an mit großer Skepsis verfolgt. Was von den kritischen Beobachtern der Hadopi-Praxis in den Magazinen Numérama, PC-Inpact oder Quadrat du Net erwähnt wird, findet sich bald in den großen Zeitungen wieder.

Hadopi ist ein Versuchsfeld, um abzustecken, inwieweit das Internet per Gesetz zu kontrollieren ist, der politische Wille, die Kontrolle auszubauen, ist unter Sarkozy sehr stark Netzüberwachung: Versuchslabor Frankreich. Doch auch der Kandidat der PS, Hollande, ließ mit seinen Aussagen keinen Zweifel daran, dass auch er für Reglementierung eintritt: "Das Internet braucht Gesetze." ( "Wenn jeder herunterlädt, was er mag").

Entsprechend vorsichtig sind die Äußerungen der Verantwortlichen über die nun anstehende dritte Phase; seit Herbst tauchen immer wieder Meldungen zur entscheidenden Sanktionsphase auf. Wie ein Lauf auf rohen Eiern sei das, berichtete am Wochenende Les Echos. Es geht um die Übersendung der Akten derjenigen, die zum dritten Mal auffällig geworden sind, ans Gericht.

Man wolle nur wasserdichte Fälle, so lassen sich die Aussagen von Mireille Imbert-Quaretta, die Präsidentin der für die Weiiterleitung der Fälle verantwortlichen Kommission, CPD, verstehen. Es ist Wahlkampf. Die Fälle würden genauestens überprüft. Dahinter steht die Vorsicht, keine ungünstigen Schlagzeilen zu machen:

"Es wird Übersendungen ans Gericht geben vor dem Frühjahr. Wir lassen uns viel Zeit und widmen den Dossiers große Aufmerksamkeit, damit sie unstrittig sind."

Übersetzt heißt das, so folgert das Magazin Nouvel Observateur, dass von den 159 Fällen bedeutend weniger vor Gericht kommen. Das Fachmagazin Numérama geht in seiner Analyse noch weiter: Die gesetzlichen Bedingungen für eine Verurteilung seien so vage, dass sie die Gerichte die Mithilfe des Beschuldigten brauchen, um tatsächlich einwandfrei ein Vergehen festzustellen.

Um eine Verurteilung auszusprechen, sei es nötig, dem Beschuldigten nachzuweisen, dass er ausreichende Sicherheitsmaßnahmen gegen den Missbrauch seines Internetzugangs getroffen habe. In der Wirklichkeit sei der Nachweis nur möglich, wenn dies der Beschuldigte selbst einräume. Wenn der Beschuldigte aber dazu schweige, hätten die Richter große Schwierigkeiten ein Urteil zu fällen, das vor einem Widerspruch gefeit sei. So könnte aus einem einfachen Verfahren, wie dies von den Gesetzgebern beabsichtig ist, mit großer Wahrscheinlichkeit ein kompliziertes, umständliches Verfahren resultieren. Das wäre nicht im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit von Hadopi. So darf man gespannt sein, wieviel wasserdichte Fälle Hadopi aus den 159 Dossiers ziehen wird.