In Spanien macht sich Panik breit

"Bank run" auf verstaatlichte Bankia, deren Aktien in den freien Fall übergehen, womit Zweifel am Staat steigen

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Die wachsenden Zweifel am spanischen Bankensystem haben am Donnerstag die Aktien erneut in den Keller gehen lassen. Die Aktien der großen Bankia-Bank gingen sogar in den freien Fall über und verloren zeitweise fast 30% an Wert. Zum Börsenschluss verzeichneten die Aktien einem Verlust von gut 14%. Seit dem Börsengang im Juli 2011 hat die Aktie der viertgrößten Bank fast 70% eingebüßt. Ein großer Teil an Wert verlor sie in den letzten Tagen, nachdem angekündigt worden war, die aus sieben Sparkassen fusionierte Bank werde verstaatlicht.

Nicht nur Anleger trennen sich von den Aktien, offenbar hat auch ein "Bank run" eingesetzt. Die Tageszeitung El Mundo berichtet mit Bezug auf eine Verwaltungsratssitzung der Bank, dass Sparer verstärkt ihr Geld abziehen. Schon in der letzten Woche seien eine Milliarde Euro an Einlagen abgeflossen. selbst wenn sowohl Bankia als auch die Regierung den massiven Kapitalabfluss dementieren und behaupten, dass Geld der Sparer sicher sei, wird der Bank nicht mehr getraut.

Schon die Fusion der sieben über die geplatzte Immobilienblase gestrauchelten Sparkassen musste mit 4,5 Milliarden Euro aus Steuergeldern vorangetrieben werden. Die Muttergesellschaft Banco Financiero y de Ahorros (BFA) hat mit 32 Milliarden Euro besonders viele "toxische Werte" in den ohnehin geschönten Bilanzen. Spanische Banken müssen erneut 28 Milliarden Euro für angeblich gesunde Immobiliengeschäfte zurückstellen, die ebenfalls faul werden könnten. Für Bankia sollen es 4,7 Milliarden sein, die das Institut nicht hat. Die Anleger und zehn Millionen Sparer der Bank, fast ein Viertel der Bevölkerung, zeigen mit ihrem Verhalten, dass sie auch dem Staat nicht mehr trauen, der nun die Kontrolle über BFA und Bankia übernommen hat und für sie garantieren will.

Das Misstrauen wächst und immer offener wird von der "Rettung" des Landes gesprochen. So schreibt die große spanische Tageszeitung El País am Donnerstag, "das Wort Rettung wird massiv mit Spanien in Verbindung gebracht, nicht nur an den Geldmärkten". Entsprechend ist eine Anleiheauktion am Donnerstag verlaufen, an der die Zinsen für das Land stark gestiegen sind. Für Papiere mit einer Laufzeit von drei Jahren musste Madrid eine durchschnittliche Rendite von knapp 4,4% bieten. Vor einem Monat waren es schon hohe 2,9%. Noch dramatischer fiel das Ergebnis bei den Vierjahresläufern aus, für die gut 5,1% Rendite geboten werden mussten. Vor einem Monat waren es noch gut 3,4%.

Frankreich versteigerte am Mittwoch Anleihen und musste für Dreijahresläufer nur 0,95% Rendite bieten. Für Papiere mit einer Laufzeit bis 2017 waren es nur 1,7%. So wird deutlich, wie teuer für das schwer angeschlagene Spanien die Refinanzierung über die Finanzmärkte geworden ist. Experten halten eine Rendite von höchstens 5% für zehnjährige Anleihen längerfristig für finanzierbar. Doch an den Sekundärmärkten werden spanische Anleihen schon mit einem Aufschlag von 5 Prozentpunkten gegenüber Bundesanleihen gehandelt. Am Mittwoch war der Risikoaufschlag (Spread) im Tagesverlauf auf ein Allzeithoch von 507 Basispunkten gestiegen. Mit 489 Punkten schloss er am Donnerstag auf einem neuen Allzeithoch.

Nur weil Bundesanleihen sehr niedrig rentieren, weil viel Geld aus Krisenländern nach Deutschland fließt, liegt der spanische Zinssatz mit 6,5% gerade noch unter der Schwelle, an der mit knapp 7% Griechenland, Irland und Portugal unter den europäischen Rettungsschirm (EFSF) gehen mussten. Deshalb spricht sogar Ministerpräsident Mariano Rajoy von einer "extrem schwierigen Situation", weil sich Spanien kaum noch zu einem vertretbaren Zinssatz refinanzieren kann. Sein Hilferuf an die EU-Kommission in Brüssel verhallte bisher ungehört. Auf der EZB-Sitzung am Mittwoch in Frankfurt wurde das Programm, massiv Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen, nicht reaktiviert. Auch EU Kommissionspräsident José Manuel Barroso wollte sich auch auf Nachfragen von Journalisten zum spanischen Hilferuf nicht äußern.