Hochwasser: War es der Klimawandel?

Wie verändern sich die Niederschlagsregime mit dem Klimawandel? Und welche Rolle spielt der Jetstream?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie nicht anders zu erwarten, fehlt es nicht an Stimmen, die im aktuellen Hochwasser einen Beweis sehen wollen, dass es mit dem Klimawandel nicht so weit her sein kann. Es solle doch trockener werden, meint zum Beispiel n-tv.

Woher diese Weisheit stammt, bleibt zunächst im Dunkeln. Klimawissenschaftlern ist hingegen schon seit mindestens 20 Jahren klar, dass in einem wärmeren Klima einerseits die Niederschlagsverteilung räumlich und zeitlich wie bisher sehr unterschiedlich sein kann, sich andererseits aber natürlich verändern wird, wobei sowohl Trockenheit als auch Starkniederschläge je nach Region heftiger ausfallen können.

Für größere Teile Nordwesteuropas ist auf jeden Fall mit mehr Niederschlag zu rechnen: In Großbritannien hatte es zum Beispiel im letzten Jahr ein ganz außerordentlich nasses Jahr gegeben. Im englischen Landesteil war es das feuchteste seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen, und die reichen dort weiter als irgendwo sonst zurück. Die britische Zeitung Guardian zitierte Anfang des Jahres den dortigen Wetterdienst ( Met Office): Seit Beginn des neuen Jahrtausends habe es eine Häufung der niederschlagsreichen Jahre gegeben. Ursache könnten natürliche Fluktuationen in der Oberflächentemperatur des Nordatlantiks, aber auch der starke Rückgang des Meereises auf dem Arktischen Ozean sein, der letztes Jahr einen neuen Rekord erreichte. Mehr Forschung sei nötig, um diese Frage zu klären. Bekannt sei allerdings, dass die Inseln in einem wärmeren Klima mit mehr Starkniederschlägen zu rechnen haben.

Und wie sieht es in Deutschland aus? Das beim Helmholtz-Zentrum in Geesthacht angesiedelte deutsche Climate Service Center (CSC) geht für Norddeutschland bis zum Ende des Jahrhunderts von einer Zunahme des durchschnittlichen Jahresniederschlags von neun Prozent aus. "Dabei könnten Winterniederschläge um elf bis 41 Prozent zunehmen, Sommerniederschläge dagegen im gleichen Zeitraum um acht bis 40 Prozent abnehmen", heißt es in einem Dossier auf der Seite des CSC. Dabei ist anzumerken, dass es sich (natürlich) um einen Durchschnittswert handelt, denn es geht um Klimaprojektionen und nicht um Vorhersagen. Eine Zunahme des Durchschnitts bedeutet aber auch, sofern wie in diesem Fall eine statistische Normalverteilung vorliegt, dass Extremwerte wahrscheinlicher werden.

In einer Übersicht des deutschen Klimaportals, eines Zusammenschlusses, an dem diverse öffentliche Einrichtungen wie der Deutsche Wetterdienst und das Umweltbundesamt beteiligt sind, heißt es für das ganze Bundesgebiet: "Im Sommer können die Niederschläge um bis zu 15 Prozent geringer ausfallen, im Winter kann es um bis zu zehn Prozent mehr Niederschlag geben." Herbst und Winter werden in einem wärmeren Klima grundsätzlich nasser ausfallen, wobei der Niederschlag vermehrt als Regen und weniger als Schnee fällt. Der Sommer sollte dagegen trockener werden, wobei allerdings – was bei tendenziell höheren Temperaturen sehr naheliegend ist – die Ergiebigkeit von Einzelereignissen deutlich höher als bisher ausfallen wird.

Man kann also zur Ehrenrettung des oben erwähnten Senders feststellen, dass durchaus auch Meteorologen von weniger Niederschlag im Sommer ausgehen. Allerdings hätten die Journalisten mehr als das eine Schlagwort lesen sollen. Denn: Wenn der über die drei Sommermonate und über 30 Jahre gemittelte Niederschlag zunimmt – genau so sind nämlich Aussagen von Klimaprojektionen zu lesen –, dann sagt das noch lange nichts über das Ausmaß von Extremereignissen aus.

Hinzu kommt die knifflige Frage der Wetterlagen, oder genauer: der Zugbahnen der Tiefdruckgebiete. Wie 2002 wurden die Unwetter auch diesmal von einem Wirbel feucht-warmer Luft verursacht, der vom Mittelmeer über die Alpen zog. Die Meteorologen sprechen von einer V-b-Wetterlage (sprich fünf B). Diese treten in letzter Zeit häufiger auf. Weil sie sich oft erst über dem Golf von Genua bilden oder dort zumindest deutlich verstärkt werden, spricht man auch von Genua-Tiefs.

Besonders brenzlig wird es, wenn diese Tiefdruckgebiete über Süddeutschland oder der Tschechischen Republik von einer sogenannten Omega-Lage blockiert werden. In diesem Fall macht der sogenannte Jetstream, eine Zone besonders starker Winde in einigen Kilometern Höhe, über Mitteleuropa einen Schlenker weit nach Süden. Das Problem: Diese Position ist ziemlich stabil und kann eine Woche oder länger unverändert bleiben. So lange wird dann das Tiefdruckgebiet festgenagelt und kann sich in aller Ruhe ausregnen. Normal wäre, dass es über den Kontinent zieht und seinen Niederschlag verteilt.

Die große Frage ist erstens, ob es zu Veränderungen im Jetstream kommt oder schon gekommen ist, wie einige Meteorologen und andere Klimawissenschaftler meinen. Und zweitens, ob der Grund dafür der Rückgang des Packeises auf dem Arktischen Ozean ist. Für Mitteleuropäer dürfte das eine der derzeit spannendsten Fragen der Klimaforschung sein.

Wer sich etwas intensiver mit dem Thema Klimawandel und Extremereignisse auseinandersetzen möchte, sollte mal bei Stefan Rahmstorf vorbeischauen, der dazu einen neuen Blog-Beitrag geschrieben hat und auf einen im letzten Jahr veröffentlichten Übersichtsartikel seiner Arbeitsgruppe am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung verlinkt.