Die Deutschen halten zu ihrem Dr. Guttenberg

Komisch: Bei einer ARD-Umfrage stehen 74 Prozent hinter Guttenberg, aber bei Online-Umfragen bei ARD, Spiegel, taz oder Telepolis sieht dies ganz anders aus

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Die vom Focus in Auftrag gegebene Umfrage von Emnid scheint kein Ausreisser gewesen zu sein. Die Deutschen lieben ihren Guttenberg, auch wenn er trickst und schwindelt, zuletzt deutlich geworden bei seiner Dissertation. Hier hat es sich sichtlich einer leicht gemacht, nebenbei nicht nur mit möglichst wenig Arbeit mittels eines Raubkopierzugs durch alles, was online zugänglich war, inklusive der Einarbeitung eines Textes des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, seine Promotion bewerkstelligte und dafür auch noch mit Summa cum laude belohnt wurde.

Überwältigend ist zumindest das vorläufige Ergebnis der Online-Suche nach Plagiaten auf dem GuttenPlag Wiki. Die Seiten werden rar, auf denen kein Plagiat gefunden wurde. Auf 268 Seiten, 68 Prozent der Seiten, Einleitung und Anmerkungen nicht berücksichtigt, wurden Plagiate gefunden, auf vielen auch mehrere von unterschiedlichen Quellen. Digitales Eigentum gilt dem Minister – oder seinem Ghostwriter – wenig. Die Kompilation, die Montage, scheint für den Minister, darin "fortschrittlicher" als Helene Hegemann mit dem Buch Axolotl Roadkill, das ja nur Literatur, nicht wissenschaftliche Arbeit war, primär zu sein. Ich sample, also bin ich.

Bei der Emnid-Umfrage sagten 68 Prozent, dass Guttenberg deswegen nicht zurücktreten brauche. Nach einer Blitzumfrage für die Tagesthemen scheint sich dies zu bestätigen. Obgleich die Hälfte die Plagiatsvorwürfe für berechtigt halten – warum man daran noch zweifeln kann, steht sowieso in den Sternen -, wollen gar 74 Prozent, dass er weiter im Amt als Minister bleibt. Gerade einmal 22 Prozent fordern seinen Rücktritt. Er hat halt, weil er überbeschäftigt war, Fehler gemacht, entschuldigen 61 Prozent das Fehlverhalten. 70 Prozent sagen, er werde nur angegriffen, weil er so erfolgreich sei, was anders herum heißen könnte, dass man doch den Erfolgreichen alle Tricks und Betrügereien nachsehen muss, weil man sonst nur neidisch ist. 28 Prozent glauben, womit sie vermutlich richtig liegen, dass der mit seiner Karriere überbeschäftigte Guttenberg seine Dissertation nicht selbst geschrieben habe. Das könnte man selbst Guttenberg noch zugute rechnen, hätte er sie nämlich selbst geschrieben, wäre er doch ziemlich naiv und einfallslos.

Erstaunlich sind diese Umfrageergebnisse, wenn man sie mit den Online-Umfragen vergleicht. Man muss ja nicht auf das Ergebnis der Telepolis-Umfrage schauen, an der in kurzer Zeit immerhin fast 2300 Leser teilgenommen haben, von denen 80 Prozent den Rücktritt des CSU-Ministers fordern. Auch bei ARD.de sind 61,3 Prozent (mehr als 23.000 Menschen) der Meinung, dass die Reaktion von Guttenberg auf die Vorwürfe nicht ausreicht. Auch bei der [http://taz.de/1/poll-popup/?tx_jkpoll_pi1[uid]=1039 taz] fordern 80 Prozent seinen Rücktritt. Beim Tagesspiegel votierten 67 Prozent für den Rücktritt, bei Spiegel Online 60 Prozent. Sind die Online-Leser kritischer als die Gesamtbevölkerung? Sind die Umfragen nicht repräsentativ? Allerdings ist bei Bild.de das Umfrageergebnis anders. Den Rücktritt fordern nur 30 Prozent, 54 Prozent sagen, er mache seinen Job gut.