Löschen statt speichern

Am Wuppertaler Zentrum für Informations- und Medienverarbeitung soll ein Jahrzehnte altes Medienarchiv gelöscht werden, weil nach geltender Rechtsauffassung allein der Besitz solcher Bestände strafbar sei. Update

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In Universitäten – nicht nur deutschen – ist es seit Einführung des Videorekorders Praxis geworden, Fernsehprogramminhalte mitzuschneiden und zu archivieren; teilweise, weil darin das Wirken der eigenen Hochschule und deren Mitarbeiter darstellt wird; häufiger aber um der Medienforschung und -ausbildung eine inhaltliche Grundlage zu bieten. So finden sich insbesondere in film- und medienwissenschaftlichen Instituten mittlerweile beachtliche Sammlungen von Fernseh-, Spiel- und Dokumentarfilmen, die es Studenten und Forschern an diesen Instituten ermöglichen, medienarchäologisch und -historisch zu arbeiten. Nicht selten sind diese Archive die einzigen Zugangsquellen für rare und ansonsten unauffindbare Medieninhalten geworden.

Bislang waren solche Sammlungen vor allem durch die Personal- und Raumknappheit der Universitäten bedroht: Die Aufzeichnungen und Geräte müssen verwaltet und gepflegt werden (was insbesondere bei VHS-Kassetten eine Herausforderung ist). Das könnte nun jedoch bald überflüssig werden, denn das deutsche Urheber- und Verwertungsrecht trifft eine recht eindeutige Aussage über solche Bestände: Sie sind illegal. Das hat die Verwaltung der Universität Wuppertal nach Auffassung ihrer Justiziarin nun dazu gebracht, in vorauseilendem Gehorsam das universitätseigene Zentrum für Informations- und Medienverarbeitung (ZIM) aufzufordern, sein umfangreiches Aufzeichnungsarchiv zu vernichten.

Nachdem die Angelegenheit jetzt öffentlich wurde, hat das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" eine Pressemitteilung herausgegeben und im Anschluss daran die „Gesellschaft für Medienwissenschaften“ (GfM) in einem Protestbrief an den Universitätsrektor Lambert Koch diese dazu aufgefordert, von dem Vorhaben abstand zu nehmen. Auf ihrer Webseite argumentiert die GfM:

"Einmal ganz abgesehen davon, dass insbesondere die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland einen Bildungsauftrag haben, der in der Verwendung von Mitschnitten ihrer Sendungen in Lehre und Forschung eine Fortsetzung im Sinne des Gesetzgebers findet, verweist das groteske Ansinnen der Rechtsabteilung der Wuppertaler Universität auf einen eigentlichen Notstand im Bereich der medienwissenschaftlichen Forschung: Es bedarf dringend einer klaren und zuverlässigen Regelung des Zugangs zu und der Verwendungsmodalitäten von urheberrechtlich geschütztem audiovisuellem Material für Forschung und Lehre."

Die Angelegenheit könnte angesichts der in den Uni-Archiven schlummernden Mitschnitt-Schätze noch weiterreichende Konsequenzen bekommen. Bislang wurden solche Archive stillschweigend geduldet – wie auch die Vorführung des Materials zu Lehr- und Forschungszwecken. Durch weitere Verschärfung des Urheberrechts sollen solche Grauzonen künftig ebenfalls abgedeckt werden, weswegen sich das Aktionsbündnis im Juli für eine "Wissenschaftsschranke" ausgesprochen hatte, nach der Literatur (und andere Forschungsquellen) einer genehmigungsfreien Nutzung unterliegen sollen.

Update:

Wie der Leiter des ZIM mitteilt, ist die Löschproblematik zwischenzeitlich vom Tisch. Die interne Diskussion im ZIM hat ergeben, dass der Bestand nicht vernichtet werden muss und man zu einer Best-Practice-Lösung für die Mediothek gekommen ist.