Selbstmordepidemie in Japan

Vor allem ältere und jüngere Männer wollen mit dem Leben Schluss machen, als neue Technik ist gerade die Erzeugung von Schwefelwasserstoffgas angesagt.

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Die Japaner lieben die Technik und die humanoiden Roboter. Aber irgendwie scheint sie das nicht glücklich zu machen, vor allem nicht die jungen und die alten Männer. Während die einen auf Amoklauf gehen, bringen sich jedes Jahr Tausende um. Es scheint, als habe Japan eine Selbstmordepidemie erfasst, die zwar schon lange zurückreicht, aber weiter anschwillt.

Letztes Jahr haben sich, wie die Nationale Polizeibehörde berichtet, 33.093 Menschen, 2,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, umgebracht. Damit steht Japan mit an der Spitze unter den Industrieländern, alle Gegenmaßnahmen scheinen nichts zu bewirken. Vor allem die Männer zieht es in den Tod, sie stellen 71 Prozent der Selbstmörder. Und vor allem die Menschen in den Großstädten wie Tokio oder Osaka mögen nicht mehr weiter leben. Hier war der Anstieg der Selbstmorde auch besonders hoch.

Die meisten Selbstmörder – 12.107 oder 71 Prozent – sind über 60 Jahre alt und scheinen das Leben nach der Arbeit nicht zu verkraften. Die Zahl der alten Menschen steigt stark an. Über 21 Prozent der Bevölkerung oder 27 Millionen sind über 65 Jahre alt. Ihre Zahl stieg um 9,9 Prozent an. 4.767 Menschen – 6 Prozent mehr – waren in den 30er Jahren, 3.309 in den 20er und 548 unter 19 Jahren. Die Polizei versucht die Selbstmorde nach Gründen einzuteilen, sofern sie, beispielsweise durch Abschiedsbriefe, bekannt sind. Bei den 23.000 Selbstmorden, deren Gründe oder Motive identifizierbar waren, stand Depression wenig überraschend an erster Stelle, gefolgt von Ängsten über Krankheiten. Das spielt vor allem bei den Menschen über 60 Jahren eine Rolle.

Dazu kommt, dass eine Welle von Selbstmorden mit einer neuen Methode begangen wird. Dazu wird mit normalen Haushaltsprodukten wie WC-Reinigern und Badesalzen das tödliche Gas Schwefelwasserstoff freigesetzt. Während eine Zeit lang die Mode verbreitet war, sich zum Selbstmord, auch über das Internet, zu verabreden, führt die neue, über das Internet verbreitete Technik dazu, dass auch Nachbarn und Rettungskräfte gefährdet werden. Damit nimmt der Suizid wie bei den Selbstmordanschlägen oder Amokläufen eine neue Form an. Wurden bislang normalerweise andere Menschen nicht direkt gefährdet, wenn sich Menschen erhängt, erschossen, vergiftet oder aus großer Höhe herunter gestürzt hatten, so werden nun Selbstmorde zu Taten, die auch andere gefährden oder direkt mit in den Tod gezogen werden. Allein 517 Menschen haben sich in den ersten fünf Monaten dieses Jahres mit der Freisetzung von Schwefelwasserstoff umgebracht. Letztes Jahr waren es nur 29 Menschen.