EU-Gipfel: Demo-Verbot in Brüssel

Gegnern der Kahlschlag-Politik wird das Demonstrationsrecht verweigert, weil es angeblich nicht genug Polizisten gibt

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In der belgischen Hauptstadt Brüssel, am Sitz der EU-Kommission, fühlt sich die Polizei überfordert und verbietet deshalb eine Demonstrationen anlässlich des am morgigen Donnerstag stattfindenden EU-Gipfels. Ein internationales Bündnis für einen Europäischen Frühling (in Anspielung auf die Arabischer Frühling genannten Volksbewegungen in Nordafrika und dem Nahen Osten) organisiert bereits heute diverse Proteste in der Stadt. Morgen soll eine Kundgebung stattfinden, die sich dann mit einem eigenen Zug der Demonstration der belgischen Gewerkschaften anschließen wird. Mit der Begründung, es stünden nicht genug Ressourcen zur Verfügung, wurde dies verboten. Derzeit versuchen die Veranstalter mit juristischen Mitteln gegen das Verbot vorzugehen.

Anlass der Proteste ist der EU-Frühjahrsgipfel, das heißt ein Treffen des Europäischen Rates, der sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zusammensetzt. Auf dem Programm steht ein weiteres Anziehen der Sparschraube, mit der vor allem auf Druck aus Berlin die öffentlichen Haushalte ausgepresst werden sollen.

Bei der betroffenen Bevölkerung ist diese Politik nicht besonders beliebt und entsprechend nehmen sowohl die Proteste als auch der Abbau demokratischer Rechte vor allem in den südlichen Mitgliedsländern zu. Das Bündnis, zu dem zum Beispiel auch das internationale ATTAC-Netzwerk sowie zahlreiche Gruppen von Basisgewerkschaften, linken Jugendorganisationen und entwicklungspolitische Organisationen gehören, hatte daher seine Aktionen unter das Motto "Unsere Demokratie gegen ihre Austerität" gestellt.

Mit Austerität wird eine Politik bezeichnet, die Haushaltskonsolidierung in den Mittelpunkt stellt und zu diesem Zweck vor allem Sozialausgaben und Löhne kürzt, sowie staatliche Leistungen wie Bildung und Gesundheitsversorgung zusammen streicht. Die Militärhaushalte werden von derlei Maßnahmen in der Regel nicht oder kaum berührt. Bekannt ist diese Politik in der neueren Zeit seit den Maßnahmen der Regierungen Margaret Thatchers in Großbritannien Anfang der 1980er Jahre und nahezu zeitgleich Ronald Reagans in den USA.

Das Bündnis kritisiert "die Kürzungen der Sozialausgaben, radikale Einschnitte bei den Löhnen, Angriffe auf soziale Rechte, einschließlich der Arbeiterrechte, und andere Aspekte dessen, was Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine 'stille Revolution' genannt hat".

Pascoe Sabido, der für die Anti-Lobby-Organisation Corporate Europe Observatory arbeitet und zu den Koordinatoren der Proteste gehört, findet das Verbot der Proteste "empörend": "Wir haben das Recht, uns zu versammeln und unserer Opposition gegen die Angriffe der EU auf unsere Arbeitsplätze und öffentlichen Dienstleistungen Ausdruck zu geben." Der Vorgang sei ein Abbild der Verhältnisse im südlichen Europa, wo Stimmen, die sich gegen die Austeritäts-Politik aussprechen, marginalisiert und unterdrückt würden.

Ein anderes Mitglied des Koordinationskreises, Myriam Bourgy aus Lüttich, weist auf die Profiteure der Spar-Politik hin: "Während die Europäische Union die Wohlfahrt ihrer Bürger schwerwiegend untergräbt, haben die Mitgliedsstaaten taumelnde Finanzkonzerne seit 2008 mit atemberaubenden 1,6 Billionen Euro unterstützt. Das ist vollkommen unakzeptabel. Warum sollen wir für die Auswüchse des Finanzsektors zahlen?"

Im Rahmen eines europäischen Aktionstages finden bereits am heutigen Mittwoch in zahlreichen Städten unter anderem in Dänemark, Frankreich, Österreich, Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Spanien und Großbritannien Proteste statt.