AKW Gundremmingen überflüssig

2012 wurde so viel Strom wie nie zuvor exportiert. Der Markt versagt, weil er AKWs und Kohlekraftwerke begünstigt und die umweltfreundlicheren Gaskraftwerke benachteiligt. Erneuerbare bei 21,9 Prozent

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Bundesverband der Energie- Wasserwirtschaft (BDEW) hat erste vorläufige Zahlen für Stromverbrauch und -Produktion im vergangenen Jahr vorgelegt. Demnach betrug der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Bruttostromerzeugung 21,9 Prozent nach 20,3 Prozent 2011 und 16,4 Prozent 2010.

Da der Bruttostromverbrauch im Inland um 1,4 Prozent leicht gefallen ist und der Netto-Export mit 23 Milliarden Kilowattstunden einen historischen Höchststand erreichte, stieg der Anteil am Verbrauch sogar noch etwas schneller. Insgesamt ist jedoch auffällig, dass das Niveau der ersten drei Quartale 2012, in denen die Erneuerbaren 25 Prozent ausmachten, nicht gehalten wurde. Vermutlich liegt das unter anderem daran, dass der Dezember bei den Windkraftanlagen nur unterdurchschnittlichen Ertrag brachte. Normaler Weise gehört der letzte Monat des Jahres zu den windreichsten.

Daten, die die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen veröffentlicht hat, schlüsseln den Anteil der Erneuerbaren an der Brutto-Stromerzeugung weiter auf: Die größte Steigerung gab es erwartungsgemäß bei der Fotovoltaik von 3,2 Prozent 2011 auf 4,6 Prozent in 2012. Windkraft fiel von acht auf 7,3 Prozent zurück, Wasserkraft steigerte sich von 2,9 auf 3,3 Prozent und Biomasse von 5,4 auf 5,8 Prozent. Insgesamt haben die erneuerbaren Energieträger 2012 135 Milliarden Kilowattstunden Strom geliefert, nach dem sie 2010 erstmals die Marke von 100 Milliarden Kilowattstunden überschritten hatten.

Auch die Atomkraft hat diese Marke überschritten allerdings in die umgekehrte Richtung. Darauf weist das bayerische Forum – Gemeinsam gegen das Zwischenlager in einer Pressemitteilung hin. 2012 wurden von den verbliebenen AKWs nur noch 99 Milliarden Kilowattstunden geliefert. 2001, auf dem Höhepunkt der Leistung und der Verfügbarkeit deutscher AKW waren es noch 171,3 Milliarden Kilowattstunden gewesen. Der Eigenverbrauch der Meiler lag auch 2012 noch zusammengerechnet im zweistelligen Milliardenbereich, ihr Nettobeitrag ist also entsprechend geringer.

Das Forum verweist darauf, dass der 23-Milliarden-Überschuss im Außenhandel noch etwas höher als "die Stromproduktion von Deutschlands größtem und gefährlichstem Kernkraftwerk, dem AKW Gundremmingen [ist]. Dieses liefert aus seinen zwei veralteten Siedewasserreaktoren (alle vier in Fukushima havarierten Reaktoren waren von diesem Typ) rund 21 Milliarden Kilowattstunden im Jahr." Daher fordere die Bürgerinitiative, die Meiler "schnellstmöglich" abzuschalten und den Atomausstieg bis 2015 zu verwirklichen.

Ansonsten zeigen die BDEW-Zahlen, dass die Anteile von Stein- und Braunkohle weiter leicht zugenommen haben, während der Einsatz von Gaskraftwerken merklich zurückgeht. Der Grund sei, dass Gaskraftwerke an der Börse nicht gegen Kohle bestehen können. Ihr Betrieb sei teurer. Das sei auch der Hintergrund der hohen Exportzahlen, die vor allem auf das Geschäft mit den Niederlanden zurückzuführen seien. Auch dort würden die Gaskraftwerke inzwischen seltener angeworfen, weil der Strom billiger an der Leipziger Strombörse eingekauft werden kann. Unerwähnt bleibt in der BDEW-Stellungnahme, dass das auch ein Ergebnis des Preisverfalls im Emissionshandel ist. Weil die beteiligten Regierungen zu viele CO2-Zertifikate ausgegeben haben und diese nicht wieder einziehen, kann Kohle derzeit besonders billig verbrannt werden.

Unterm Strich bedeutet diese Entwicklung zum einen, dass die Treibhausgasemissionen steigen, weil Kohle und insbesondere Braunkohlekraftwerke deutlich mehr – je nach Anlage teilweise mehr als das Doppelte – an Treibhausgasen pro erzeugter Kilowattstunde ausstoßen. Zum anderen heißt das, der immer wieder beschworenen Ausbau des Höchstspannungsnetzes, mit dem Strom von Region zu Region und über Ländergrenzen hinweg übertragen wird, dient auch diesem nicht gerade klimafreundlichen Fernhandel mit Strom. Beides zusammen mal wieder ein Beispiel dafür, dass der Markt eben nicht automatisch die besten Ergebnisse erzielt.

Offensichtlich müssen neue Förderinstrumente her, die den Einsatz von Gaskraftwerken stützen. Diese haben nicht nur die geringeren spezifischen Emissionen, sondern sind auch flexibler, das heißt, die bessere Ergänzung zu Wind und Sonne. Außerdem ließen sie sich langfristig auch durch ins Erdgasnetz eingespeistes Bio- oder Windgas betreiben. Besonders sinnvoll wären sie natürlich in der Kraft-Wärme-Kopplung, bei der sie zudem noch Emissionen vermeiden würden, die heute noch von Ölheizkesseln oder ähnlichem verursacht werden.

Finanzieren ließe sich eine derartige Förderung ja vielleicht mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten, deren Zahl natürlich stärker limitiert werden müsste. Das würde nicht nur einen höheren Preis erzielen, sondern auch dämpfend auf die Emissionen wirken. Das Problem beim Emissionshandel ist allerdings, dass der Zug für die nächsten Jahre vermutlich abgefahren ist. Die beteiligten Staaten – die EU-Mitglieder sowie die Schweiz, Liechtenstein, und Island – haben sich bereits auf die Ausgabemengen geeinigt: 2013 werden Zertifikate für 2,04 Milliarden Tonnen CO2 ausgegeben, bis 2020 sinkt diese Menge jährlich um 1,74 Prozent ab.