"Arbeiter der Welt, vereinigt euch!"

Osborne, der britische Schatzkanzler, will den Arbeitsmarkt weiter flexibilisieren, indem die Angestellten ihre Rechte gegen Anteile an den Unternehmen verkaufen sollen

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Das große neoliberale Projekt der britischen Konservativen ist, im Zuge der Krisenbewältigung den Staat möglichst einzuschrumpfen und möglichst viele seiner Aufgaben zu privatisieren. Dabei entstehen viele Ideen, wie die propagierte Große Gesellschaft und der Kleine Staat aussehen könnten. Schatzkanzler oder Finanzminister George Osborne hat jetzt eine neue Idee vorgestellt, wie man die Arbeit von lästigen Regulierungen befreien und ganz flexibilisieren könnte.

Osborne will, wie er auf einer Konferenz der Konservativen am Montag erklärte, Unternehmen die Möglichkeit schaffen, den Angestellten viele Rechte zu nehmen, wenn sie ihrerseits den Arbeitnehmern Anteile ausgeben. Um dies den Unternehmern schmackhaft zu machen, will der Finanzminister, der in den nächsten Jahren weitere 10 Milliarden Pfund bei Sozialprogrammen einsparen will, 100 Millionen Pfund aufwenden, so dass die Unternehmensanteile in der Höhe zwischen 2000 und 50.000 Pfund, die den Angestellten offeriert werden, von den Steuern befreit sind.

Und Osborne entblödet sich nicht zu sagen: "Erhaltet Anteile und werdet zu Besitzern der Unternehmen, für die ihr arbeitet. Eigentümer, Angestellte und Steuerbeamte sind daran beteiligt. Arbeiter der Welt, vereinigt euch!"

Die Maßnahme soll den kleinen und mittelgroßen Unternehmen dienen, aber in erster Linie den Arbeitsmarkt aufbrechen. Angestellte, die ihre Rechte gegen Anteile tauschen oder eher verkaufen, gelten als "Eigentümer-Angestellte" und verzichten etwa darauf, gegen eine ungerechtfertigte oder betriebsbedingte Entlassung klagen zu können, sie verlieren auch das Recht, eine flexible Arbeitszeit und eine Auszeit für Weiterbildung verlangen zu können. Das Wichtigste dürfte sein, jederzeit gefeuert werden zu können. Solche Arbeitsverträge für Eigntümer-Angestellte können für neue Angestellte angeboten werden, für solche, die schon im Unternehmen arbeiten, ist die Maßnahme freiwillig.

Wie das im Detail aussehen soll, hat Osborne nicht ausgeführt. Sollen die Angestellten einmalig einen Anteil am Unternehmen erhalten? Wachsen mit der Dauer der Beschäftigung auch die Anteile? Wie werden sie vergütet, wenn der Angestellte entlassen wird oder kündigt? Angeblich soll der Koalitionspartner im Prinzip damit einverstanden sein.

Allgemein wird in der neoliberalen Welt der Konservativen unten gespart, weil die Staatsverschuldung weiter steigt. So verspricht Osborne neben der weiteren Kürzung der Sozialprogramme, dass 80 Prozent der Schuldenreduktion durch Einsparungen anstatt durch Steuererhöhungen erzielt würden. Das ist eine Politik der Umverteilung nach oben. Das aber soll, wie üblich, dadurch legitimiert werden, dass die Transferleistungen der Arbeitslosen nicht schneller ansteigen dürfen wie die Gehälter derjenigen, die "ihr Haus noch früh im Dunklen verlassen und zu den geschlossenen Fenstern ihres Nachbarn hinaufschauen, die ihr Leben wegen der Sozialbezüge verschlafen".

So wird Sozialromantik eingesetzt, um die Vermögen der Reichen möglichst zu schonen und die Transferleistungen einzufrieren. So schloss er eine Reichensteuer und eine Gebäudesteuer aus, wie sie von den Liberaldemokraten gefordert wird, und will eher Steuerhinterziehung angehen. Dafür sollen die Steuerfreibeträge für große Familien und Wohngeldzuschüsse für die Unter-25-Jährigen gestrichen werden.