Landwirtschaft statt Agrarindustrie

Proteste und Demos anlässlich Grüner Woche, Berliner Agrarministergipfel und anstehender EU-Agrarreform

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Hinter der Fassade der Messe "Grüne Woche" brodelt es mächtig, sowohl bei den Landwirten als auch den Produzenten von Biokraftstoffen. Während auf der Grünen Woche um sie herum eine Art Ess- und Trinkorgie stattfindet sitzen die Vertreter der Biosprithersteller etwas bedröppelt und vereinsamt in Halle 5. Nach der Tank-oder-Teller Diskussion, immer größerem Widerwillen gegen Monokulturen im eigenen Land und der Erkenntnis, dass der Anbau von Energiepflanzen nicht die versprochenen positiven Umwelteffekte bringt sondern statt dessen Abholzung und Verdrängung auch in die Länder des Südens trägt, scheint die Zeit für die Biokraftstoffe der 1. Generation bei uns bereits wieder vorbei zu sein.

Auch die Politik reagierte verschreckt und hob die Steuerbefreiungen für reine Biokraftstoffe auf. Vertreter der Branche merken resigniert an, wie denn jetzt Investoren bewegt werden sollen in Anlagen zur Produktion von Biosprit der 2. Generation zu investieren, das sind Anlagen die aus Reststoffen (Ernteresten, Altholz) Treibstoffe herstellen, wenn die Förderrichtlinien doch gerade erst 2009 festgelegt worden waren und jetzt schon wieder Makulatur seien - Planungssicherheit sehe anders aus. Die Verquickung mit der traditionell stark gepamperten Agrarbranche in der EU war hier wohl Segen und Fluch zugleich. Bei uns ist es die offensichtliche Symbiose von Massentierhaltung und Maismonokulturen, bei der auch eine nachgeschaltete Biogasverwertung kein Greenwashing in den Köpfen mehr schafft.

In Brüssel und beim Berliner Agrarministergipfel geht es gerade darum ob die bisherige EU-Agrarpolitk weitergetrieben werden soll oder ob in Zukunft qualitative Eigenschaften wie ökologischer Landbau, Fruchtwechsel zur Vermeidung von Dünger- und Pestizideinsatz, die Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze und die Pflege von Flächen welche die Artenvielfalt zurückbringen und erhalten, gefördert werden soll.

Die Deutsche Landwirtschaftsministerin Aigner steht dabei im Ruf einseitig von der Agrarindustrie geleitet zu sein. Der EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş setzt sich dagegen dafür ein, dass die Brüsseler Subventionspolitik "Grüner und gerechter" werden soll, indem Landwirte für die Subventionen zusätzliche Leistungen im Interesse des Gemeinwohls erbringen. Einige seiner Vorschläge: Landwirte sollen kein Dauergrünland mehr in Acker verwandeln (zur Kohlenstoffbindung), mindestens drei verschiedene Früchte in Fruchtfolge anbauen (zur Reduzierung des Düngereinsatzes) und sieben Prozent der Betriebsflächen sollen "ökologische Vorranggebiete" sein (für mehr Artenvielfalt).

Gegen das statt dessen fortschreitende "Ausräumen" der Landschaft demonstrierten die Teilnehmer der Demo " Wir haben es satt", die am Samstag vor das Kanzleramt zog. Unter den 25.000 Teilnehmern auch viele Imker aus dem gesamten Bundesgebiet. Sie protestieren gegen die Ursachen für das Bienensterben. Durch die Verarmung der Landschaft leiden die Tiere nach der kurzen Frühjahrsblüte Hunger, denn es gibt neben den Monokulturen immer weniger Pflanzen die als Nahrung dienen können. So haben die Bienen weniger Widerstandkraft gegen die Varroamilbe. Außerdem stellen Imker fest, dass geschwächte Bienen nicht mehr den Weg zurück in den Bau finden. Veranwortlich dafür wird der Einsatz von Neonikotinoiden gemacht, Nervengiften mit denen das Saatgut behandelt wird und die sich dann in der gesamten wachsenden Pflanze verteilen, dort als Pestizid wirken, aber anscheinend auch das Nervensystem der Bienen schädigen. Was so als "Vermeidung von Spritzmittel" angepriesen wird, führt zum Bienensterben. Fraglich ist welche Rückkopplung dass dann wieder auf die Landwirtschaft haben wird, wenn immer mehr Bienen als Bestäuber ausfallen.

Demonstriert haben auch Vertreter einer bäuerlichen Landwirtschaft. Bernd Voß, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ([http://www.abl-ev.de/presse/details/article/frau-merkel-wir-haben-fragen.html?tx_ttnews[backPid]=98&cHash=ef6cc1064a755ca1e2301193afe90983 AbL]) kritisiert die bisherige EU-Landwirtschaftspolitik die dazu führt dass ein Drittel der EU-Zahlungen an weniger als zwei Prozent der Betriebe gehen, dass die Bundesregierung die Vorschläge der EU-Kommission ablehnt, dass jeder Betrieb als Gegenleistung für Unterstützung aus Brüssel auch einen konkreten ökologischen Beitrag leisten muss und dass die Ausgestaltung der Brüsseler Marktregeln sich eher an den Interessen von internationalen Molkereikonzernen als an denen der Milchbauern orientiert. Solange die EU-Agrarpolitik falsche Anreize setze, seien Fehlentwicklungen die logische Konsequenz. Die anstehende EU-Agrarreform, deren Regelungen bis Ende Juni stehen sollen, muss deswegen umsteuern von einer reinen Mengensubvention hin zu einer Agrarpolitik die regionale Erzeugerstrukturen fördert und die Landschaft auch als Lebensraum für Artenvielfalt erhält.

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Demo "Wir haben es satt". Bilder: Matthias Brake