Kassieren bei Konfessionslosen

Eine Beweislastumkehr ermöglicht es den Kirchen, von längst Ausgetretenen straflos Geld zu fordern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Weil immer mehr Menschen aus den beiden großen Kirchen austreten, haben diese nicht mehr so viele Mittel zur Verfügung, wie sie das in der Vergangenheit gewohnt waren. Deshalb begehren einigen von ihnen ihrer Nächsten Hab und Gut. Allerdings bleibt es nicht immer beim Begehren. Häufig fordern Kirchen nämlich Geld von Personen, die von den Finanzämtern als konfessionslos geführt werden. Weil sie dies auch dann straflos machen können, wenn das Opfer tatsächlich konfessionslos ist, besteht ein starker Anreiz dazu, möglichst viele Atheisten, Agnostiker und Andere anzuschreiben und darauf zu spekulieren, dass sie Jahrzehnte nach ihrem Austritt keine Bescheinigung mehr darüber haben. Dann müssen sie nämlich einem Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts nach nicht nur neu austreten, sondern auch Kirchensteuer für die letzten fünf Jahre nachzahlen (Az. OVG 9 B 25.05).

Möglich wird dieser Missstand nicht nur durch die Umkehrung der Beweislast, sondern auch dadurch, dass Ämter die Unterlagen über einen Austritt teilweise nur 10 Jahre lang aufheben. Besonders problematisch sind Fälle von Personen, die zu DDR-Zeiten aus der Kirche austraten und gar keine Bescheinigung darüber erhielten. Alleine in Berlin soll es nach Erkenntnissen der FAZ mehr als 4.000 solcher Streitfälle im Jahr geben. Obwohl der Schwerpunkt dem Anwalt Karsten Sommer nach bei ursprünglich evangelisch Getauften liegt, gibt es auch Fälle aus Bayern, bei denen ehemals katholische Konfessionslose Opfer dieser Masche wurden. Hier registrierte die Kirche zwar erst den Austritt, behielt aber Jahre danach ohne Ankündigung und trotz anderslautender Eintragung auf der Lohnsteuerkarte plötzlich wieder Kirchensteuer ein. Selbst Geschädigte, die ihre Kirchenaustrittsurkunde aufbewahrt hatten, erhielten in diesen Fällen ihr Geld erst nach Androhung von Zivilklagen zurück.