"Wenn man 100 Mal kontrolliert wird, dann knallt's beim 101ten Mal"

Frankreich: Krawalle in der Problemzone Trappes nach einer Gesichtsschleier-Kontrolle

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Die Polizeikräfte in Trappes, einer Problemzone im Umland von Paris, wurden verstärkt. Der französische Innenminister Manuel Valls mahnt zur Ruhe: „Die Kinder sollen zuhause bleiben“. Um die Sicherheit zu garantieren, solle die Polizei, an deren respektvollen Umgang mit der Bevölkerung er keine Sekunde zweifle, noch ein paar Tage lang verstärkt Präsenz zeigen.

Seit Freitag sind in Trappes, Teil einer "Planstadt", 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, Autos und Abfalleimer anzündeten, eine Bushaltestelle zerstörten sowie Molotowcocktails und Steine gegen ein Polizeirevier geworfen worden. Die Wut von einer Menge aus über 200 Personen, zumeist Jugendlichen, die auf Freilassung der dort Inhaftierten drängten, wurde wie so oft, von einer Polizeikontrolle ausgelöst, über deren Verlauf es verschiedene, einander widersprechende Versionen gibt. Der Anlass zur Kontrolle war ein umstrittenes Gesetz aus dem Jahr 2010, gegen das Polizisten von Anfang an Bedenken äußerten: Polizisten fürchten das Gesetz gegen die Vollverschleierung).

Warum die junge Frau aus den Antillen trotz des Verbots ihren Gesichtsschleier trug, taucht in den Berichten nicht auf. Dafür gibt es unterschiedliche Versionen zur Motivation ihres Ehemannes, der sich auf einen der kontrollierenden Polizisten stürzte, ihm einen Faustschlag verpasste und anschließend würgte. Aus Sicht der Polizei war es unbegründete Aggressivität, die den Konvertiten zu diesem Akt veranlasste, weshalb der Mann, wie später weitere junge Männer, in Polizeigewahrsam genommen wurde.

Aus Sicht der Frau, die ebenfalls festgenommen wurde, stellt sich die Situation anders dar. Nach ihrer Aussage, die von einer Organisation, die sich gegen Islamophobie engagiert, veröffentlicht wurde, wurde sie ebenso wie ihr Mann von den Polizisten auf eine demütigende Weise, mit beleidigenden Äußerungen und groben körperlichen Übergriffen, behandelt und provoziert.

Geht es nach Aussagen von Viertelbewohnern, die von Le Monde befragt wurden, so sind Polizeikontrollen in Trappes an der Tagesordnung und die Situation angespannt - "Wenn man 100 Mal kontrolliert wird, dann knallt's beim 101ten Mal". Einig sind sich Polizei und die wütenden Jugendlichen nur in Einem: Dass die Spannungen sich auch nach drei Krawallnächten noch nicht beruhigt haben.

Da sich mittlerweile Politiker zu den Vorfällen in teils scharfen Tönen zu den Unruhen in der Problemzone geäußert haben - Vertreter der Rechten wie auch der frühere Innenminister unter Präsident Sarkozy, Hortefeux, forderten ein Ende der laxen Haltung und schärfere Strafen, auch Marine le Pen stieß ins selbe Horn - sah sich der Innenminister gestern genötigt, zu beteuern, dass die Situationen unter Kontrolle sei und bei der Polizei alles korrekt zugehe. Auch wenn wieder Ruhe einkehre, so könne sie jederzeit erneut von Unruhen abgelöst werden, sagt dagegen ein Anwohner. Klar ist nur, dass auch die Sozialdemokraten noch kein politisches Rezept gefunden haben, um die Lage in den sogenannten Problemzonen zu verbessern.