Strompreis: Privathaushalte zahlen für die Industrie

Bundesverband der Deutschen Industrie greift Einspeisevorrang an, Atomkraftgegner kontern scharf

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Die Anti-Atom-Kampagne "Atomausstieg selber machen" ist empört über den Vorstoß des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Dessen Präsident Hans-Peter Keitel würde gerne "die Ansprüche bei der Umsetzung der Energiewende zurückschrauben", wie es in einer Mitteilung des Verbandes heißt. Der Einspeisevorrang der letzten zehn Prozent des von erneuerbaren Energieträgern bereit gestellten Stroms solle gekappt werden, um die Kosten für den Netzausbau zu verringern.

Der soll allerdings, wie berichtet, auf der Prämisse basieren, dass neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Werden entsprechende Kraftwerkspläne tatsächlich umgesetzt, wird es aber zu einer zunehmenden Konkurrenz zwischen Wind- und Solarstrom auf der einen und der von den schwerfälligen Großkraftwerken ins Netz eingespeisten Energie andererseits kommen. Der BDI möchte diese Konflikt offensichtlich entschärfen, in dem er die Bedingungen für die umweltschädlichen Kraftwerke verbessert.

Argumentiert wird dabei immer wieder mit dem Strompreis und angeblich drohenden Standortnachteilen für die hiesige Exportwirtschaft, sollten die Stromkosten steigen - wobei natürlich mit keinem Wort erwähnt wird, dass deren Ausfuhren, oder genauer: der exorbitante Handelsbilanzüberschuss Deutschlands, maßgeblich für die schwere Krise im Euro-Raum verantwortlich sind.

Demgegenüber weisen die AKW-Gegner von "Atomausstieg selber machen" darauf hin, dass die Stromkosten nur vorgeschoben seien. Während die Industriestrompreise auf einem Tiefstand seien, wie auch Telepolis mehrfach berichtet hatte, müssten die privaten Haushalte dafür zahlen. Der Wechsel zu einem "Ökostromanbieter" könne dagegen Geld sparen.

"Die dreiste Verleumdung von Ökostrom als Preistreiber steht im krassen Gegensatz zur Realität", kritisiert Bündnis-Sprecherin Melanie Ball. Die stromintensive Industrie profitiere kräftig vom niedrigen Börsenpreis, der dank einer hohen Einspeisung an Strom aus erneuerbaren Energien zustande komme. So sei der Strompreisindex des Verbandes der energieintensiven Industrien im Juli so tief gefallen wie seit März 2010 nicht mehr. Diese Preissenkungen an der Strombörse gäben die Stromversorger jedoch nicht an die privaten Verbraucher weiter. "Stattdessen werden Haushaltskunden weiter im Namen der Energiewende abgezockt", beanstandet Melanie Ball. Das Bündnis empfiehlt daher "den Wechsel zu einem ehrlichen Ökostromanbieter".

Zusätzlich zum niedrigen Börsenpreis profitieren die mehreren Hundert als energieintensive eingestuften Unternehmen zusätzlich davon, dass sie keine Netzentgelte und nur einen geringfügigen Teil der EEG-Umlage für Sonne, Wind & Co. bezahlen müssen. In den Rechnungen der Privathaushalte sei inzwischen etwa ein Cent pro Kilowattstunde allein auf die großzügige Befreiung vieler Industriezweige von der Umlage zurückzuführen. Im Jahr 2011 habe die Gesamtentlastung der energieintensiven Industrie von Steuern und Umlagen auf den Strompreis 8,2 Milliarden Euro betragen - Tendenz steigend.

"Und überhaupt: Wenn Ökostrom so teuer wäre, warum kosten dann 60 Prozent aller Graustromtarife bundesweit mehr als die Angebote der von uns empfohlenen Ökostromanbieter, die ausschließlich mit Ökostrom handeln?", fragt Ball. Wer die Energiewende unterstützen und faire Strompreise zahlen will, dem empfiehlt das Bündnis den Wechsel zu einem der unabhängigen Ökostromanbieter EWS Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick oder Naturstrom.