Atomenergie: Spanische Sozialisten brechen Wahlversprechen

Der altersschwache Atomreaktor Garoña soll gegen das Wahlversprechen bis 2013 am Netz bleiben.

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Es war kaum anders zu erwarten, dass die sozialistische spanische Regierung auch ihr Ausstiegsversprechen bricht. Sie hat dem Druck der Atomlobby, der konservativen Opposition und der atomfreundlichen Kontrollbehörde nachgegeben, die sogar eine Laufzeitverlängerung von 10 Jahren empfohlen hatte. Nun hat die Regierung entschieden, die Betriebsgenehmigung des ältesten Atomkraftwerks des Landes - und eines der ältesten der Welt – bis 2013 zu verlängern. Die Betriebsgenehmigung für den Meiler, der noch in der Franco-Diktatur 1971 in Betrieb ging, wäre am Sonntag ausgelaufen. Damit versucht die Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero den Weg durch die Mitte und verliert weiter an Glaubwürdigkeit.

Nachdem Zapatero, unter anderem mit dem Versprechen, aus der Atomkraft auszusteigen, die Wahlen schon 2004 gewonnen hatte, folgten ihm schon in der ersten Legislaturperiode keine Taten. Zu den Wahlen 2008 hatte er es angesichts des Drucks der Atomlobby abgeändert und die Abschaltung der Atomkraftwerke versprochen, wenn sie die vorgesehene Lebensdauer erreicht haben. Garoña, das in der nordspanischen Provinz Burgos in der Nähe des Baskenlandes liegt, wird die vorgesehene Lebensdauer von 40 Jahren 2011 erreichen. Da eine Abschaltung sich über einen Zeitraum von zwei Jahren hinziehen würde, musste sich die Regierung jetzt entscheiden. Noch 2007, vor den anstehenden Wahlen, hatte die Regierung klar und deutlich erklärt, Garoña werde abgeschaltet.

Wieder einmal geht Zapatero einem Problem einfach aus dem Weg und verlagert die definitive Entscheidung, wie auch die ihm nahe stehende Tageszeitung El País bemerkt: "Garoña ist kein Problem für die Regierung, nicht mehr für diese." Denn erst kommen die Wahlen 2012 und derzeit spricht alles dafür, dass dann die Sozialisten (PSOE) abgewählt werden. Dass die PSOE die Europaparlamentswahlen gegen die konservative Volkspartei (PP) verloren hat, lag auch an ihrer fehlenden Glaubwürdigkeit. Ihre Wählerschaft bleibt angesichts der großen Enttäuschungen lieber den Wahlen fern.

Dass Zapatero auch in der zweiten Legislaturperiode das Ausstiegsversprechen gebrochen hat, entfernt die Linken und die Ökologiebewegung noch weiter von seiner Regierung. Angesichts der Tatsache, dass die PSOE keine eigene Mehrheit mehr im Parlament hat und es sich mit allen Bündnispartnern verscherzte, darf ohnehin bezweifelt werden, dass Zapatero die Legislaturperiode zu Ende bringt. Dazu dürfte ihr Versagen in der Wirtschaftskrise ebenfalls sorgen. Dass sie nach den Europaparlamentswahlen begonnen hat, die Steuern zu erhöhen, schürt zudem weiteren Unmut.

Genau die Wirtschaftskrise haben die Konservativen und die Atomlobby genutzt, um für die Laufzeitverlängerung von Garoña zu argumentieren. Angesichts der Rekordarbeitslosigkeit, Spanien lag im Mai weiter abgeschlagen mit 18,1 % am letzten Platz in der EU, traut sich Zapatero nicht, den Abbau von 1000 Stellen durchzusetzen. Die Atomlobby ködert in der Krise auch damit, dass das Atomkraftwerk längst abgeschrieben sei, also nun billigeren Strom liefern könne.

Doch der Strom wird überhaupt nicht gebraucht und letztlich wurde mit der Laufzeitverlängerung das Umsteuern in Spanien ausgebremst, zu dem sich Zapatero ebenfalls verpflichtet hatte. So müssen immer wieder Windkraftanlagen zu Gunsten der Atommeiler abgeschaltet werden. Atomreaktoren können nicht schnell an den Strombedarf angepasst werden. Dazu kommt die Atommüllfrage, die Spanien nicht einmal versucht anzugehen. Es gibt nicht einmal ein Zwischenlager. Es wie geplant bis 2010 zu errichten, kann mangels Standort nicht umgesetzt werden. Mit British Nuclear Fuels (BNFL) wurde ein Vertrag geschlossen, dass die 97 Tonnen Atommüll, die zwischen 1971 und 1983 aus Garoña an die Wiederaufarbeitungsanlage Windscale (später in Sellafield umbenannt) geliefert wurden, dauerhaft auf der Insel bleiben sollen. Dafür zahlt Spanien viele Millionen Euro. Ab 2010 müssen an Frankreich täglich 60.000 Euro Strafgebühr gezahlt werden, weil Atommüll nicht zurückgeliefert werden kann.

Den Mutigeren bei den Sozialisten sind die Probleme bekannt, sie konnten sich aber gegen den ängstlichen Chef, der auch "Bambi" genannt wird, nicht durchsetzen. Aus dem PSOE - Think Tank - "Fundación Ideas" (Stiftung Ideen) – wurde kürzlich für die sukzessive Abschaltung aller Atomkraftwerke und für ein komplett neues Energiemodell geworben. Demnach soll bis 2050 die gesamte Energie aus Erneuerbaren Energien bestritten werden, womit bis zu 1,2 Millionen neue Stellen geschaffen werden könnten. Schon längst wird in Spanien deutlich mehr Strom über erneuerbare Quellen erzeugt als in Atomkraftwerken, die nur noch 18 % des Stroms produzieren, obwohl die sogar bevorzugt eingesetzt werden.

Greenpeace kündigte an, eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung vor Gericht anzufechten. Zapatero sei vor der "Atomlobby auf die Knie gefallen", erklärte Greenpeace. Das Interesse der Firmen sich die Taschen zu weiter zu füllen, werde über das allgemeine Interesse der Bevölkerung angesichts eines alten und gefährlichen Reaktors gestellt. "Der Reaktor ist als Meiler der Tausend und ein Riss bekannt, die er seit Jahren erleidet", sagte der Exekutivdirektor von Greenpeace Juan López de Uralde. Die Korrosion betreffe die verschiedensten Komponenten im Inneren des Druckbehälters und dafür gäbe es keine Lösungen. Ecologistas en Acción hat Zapatero zum Rücktritt aufgefordert, denn "er ist nicht mehr zum Regieren legitimiert, weil er unfähig ist, eingegangen Wahlverpflichtungen zu erfüllen". Die Umweltorganisation wirft ihm "Wahlbetrug" vor.