Ärmere Menschen werden im Alter eher pflegebedürftig

Eine US-Studie bestätigt, dass Geld, aber nicht Bildung, dafür sorgt, dass die Menschen länger gesünder bleiben und damit selbständig leben können

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Wer arm ist, wird doppelt bestraft. Er hat nicht nur weniger, er ist auch kränker und stirbt früher, während dem gegeben wird, der sowieso schon hat. Eine Studie bestätigt diese Kluft zwischen Arm und Reich, die sich auf das gute Leben, die Gesundheit bzw. das Leiden und auf die Lebenszeit auswirkt. Und weil die Ärmeren im Alter eher unter Gebrechlichkeiten leiden und früher nicht mehr selbst für sich sorgen können, wird daraus auch eine gefährliche Entwicklung, weil die Altersarmut zunimmt und die Pflege der Alten gleichzeitig teurer wird.

Für die Studie, die in der Zeitschrift Health and Social Care in the Community erschienen ist, werteten die Wissenschaftler eine Langzeituntersuchung aus, für die über 6500 weiße und schwarze Amerikaner über 50 Jahren von 1994 bis 2006 beobachtet und alle zwei Jahren Daten nicht nur über den Gesundheitszustand, sondern auch über das Einkommen, das Vermögen und die Krankenversicherung, sofern vorhanden, befragt wurden. Erfasst wurden dabei auch fünf Aktivitäten des täglichen Lebens, die Aufschluss geben, wie selbständig die Menschen noch leben können: durch einen Raum gehen, baden, essen, sich anziehen und zu Bett gehen sowie aus dem Bett aufstehen.

Menschen aus den ärmeren Schichten waren schon 1994 zu Beginn der Untersuchung gesundheitlich schlechter beieinander als die Menschen mit einem hohen Einkommen oder Vermögen, in den folgenden Jahren verstärkte sich die Kluft und damit die Benachteiligung der ärmeren Menschen. Die Reichen bleiben gesünder, bei den Armen geht es auch mit den Alltagstätigkeiten schnell bergab. Nicht verwunderlich ist auch, dass es denen, die krankenversichert sind, besser geht als den Unversicherten. Auch hier vergrößert sich die Kluft mit steigendem Alter. Die Unterschiede zeigen sich auch, wenn man den Familienstatus, die Beschäftigung und das Alter berücksichtigt. "Je größer das Einkommen oder das Vermögen ist, desto langsamer findet der Abbau der Gesundheit statt", so Virginia Richardson von der Ohio State University.

Allerdings scheint sich der Bildungsstand nicht auf die Gesundheit auszuwirken, was die Wissenschaftler überrascht hat. Sie hatten erwartet, dass höhere Bildung, so Ergebnisse anderer Studien, auch mit einem besseren Gesundheitszustand korreliert. Das sei aber nur bei den alten Schwarzen der Fall, ansonsten ist offenbar entscheidend, wie viel Geld man hat, um länger im Alter selbständig zu sein und ohne Pflege auszukommen. Die wird notwendig, wenn die Menschen nicht mehr ohne Hilfe kochen, baden oder sich anziehen können. Warum geringeres Einkommen zu einem schlechteren körperlichen Zustand führt, geht aus den Daten der Studie nicht hervor. Die Wissenschaftler vermuten naheliegend, dass sich die Ärmeren einfach nicht die Medikamente und Behandlungen leisten können oder nicht zu medizinischen Untersuchungen gehen, weil sie keine Krankenversicherung haben oder weil diese manches nicht abdeckt.

Die Wissenschaftler sagen, die Gesellschaft müsse Möglichkeiten entwickeln, wie man bei den ärmeren Menschen den "schnellen Abbau der körperlichen Funktionstüchtigkeit" verhindern kann. Ohne die Gesellschaft zu ändern, würde dies aber nicht gehen. Sollten die Ergebnisse auch für Deutschland gelten, wo allerdings die medizinische Grundversorgung durch die Krankenkassen für alle gesichert ist, dann könnte diese Entwicklung für die Gesellschaft teuer werden, sofern man die Alten nicht einfach ihrem Schicksal überlässt.