Fukushima: Neuer Bericht bestätigt Kernschmelze in Reaktor 3, der mit MOX-Brennstäben betrieben wurde

Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki rufen zum Abschied von der Atomenergie auf

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am 6. August, dem 66. Jahrestag des Abwurfs der US-amerikanischen Atombombe auf Hiroshima, erklärte der Bürgermeister Kazumi Matsui in seiner Rede, er werde sich darum bemühen, dass bis 2020 alle Atomwaffen verschwunden seien. Dazu soll eine internationale Konferenz stattfinden. Realistisch ist die Hoffnung wohl nicht. Kazumi Matsui machte auch darauf aufmerksam, dass seit der durch Erdbeben und Tsunami verursachten Nuklearkatastrophe in Fukushima die lange Jahre vorhandene Akzeptanz der friedlichen Nutzung der Atomenergie in Japan gesunken sei. Er forderte die Regierung dazu auf, dies zu berücksichtigen und die Energiepolitik zu überdenken. Auch der Bürgermeister von Nagasaki rief die Regierung gestern dazu auf, von der Atomenergie Abschied zu nehmen und die erneuerbaren Energien auszubauen.

Wie zur Bekräftigung geht nun laut der Zeitung Asahi aus einem neuen Bericht hervor, dass nicht nur in Reaktor 1, was Tepco bereits im Mai eingestehen musste, sondern auch höchstwahrscheinlich in Reaktor 3 eine Kernschmelze eingetreten ist. Der Bericht, der erst im nächsten Monat veröffentlicht werden soll, stammt von Fumiya Tanabe, einem ehemaligen leitenden Wissenschaftler am staatlichen Atomenergie-Forschungsinstitut. Allerdings hat man erneut den Eindruck, dass entweder um den heißen Brei herumgeredet wird oder dass das Wissen um den Zustand der Reaktoren noch immer gering ist. Seit langem war schon immer die Rede von einer "teilweisen" Kernschmelze zumindest in den Reaktoren 1,2 und 3, es war auch die Rede davon, dass sich geschmolzener Brennstoff durch den Boden der Druckbehälter gefressen hätte.

Wenn nun eingeräumt wird, dass sich in Reaktor 3, der mit MOX-Brennelementen betrieben wurde, die Plutonium enthalten, am 21. März, 10 Tage nach dem Erdbeben, eine Kernschmelze ereignet hat, dann gerät der sowieso bezweifelte Krisenplan zur Stabilisierung von Fukushima 1 mit seinen 6 Reaktoren und ebenso so vielen gefüllten Abklingbecken weiter ins Schlingern, wie ein Wissenschaftler Asahi sagte. Hat sich nämlich wie in Reaktor 1 eine Kernschmelze ereignet, dann dürften sichdie geschmolzenen Brennstäbe auch durch den Boden des Druckbehälters gefressen haben. Dann aber kann nicht mehr ohne Weiteres mit Wasser gekühlt werden, weil dieses dann austreten kann und die Umgebung und das Grundwasser radioaktiv verseucht.

Nach dem Bericht war am 13.März alles Wasser aus dem Druckbehälter verdampft. Sechs Stunden lang seien die Brennelemente damit völlig unbedeckt gewesen, bis dann nach Angaben von Tepco innerhalb von 7 Tagen 300 Tonnen Wasser zum Kühlen eingeleitet worden waren. Allerdings hatte sich bereits am 14. März eine große Explosion ereignet, die vermutlich durch die Kernschmelze verursacht worden war. Zunächst habe sich das geschmolzene Material der Brennstäbe durch die Kühlung in einem großen Klumpen am Boden gesammelt. Allerdings konnten ab dem 21. bis zum 23. März nur noch insgesamt 24 Tonnen Wasser in den Reaktor gepumpt werden. Ein Grund könnte sein, dass durch die größere Hitze der Druck innerhalb des Behälters so angestiegen war, dass nicht mehr Wasser hinein gelangen konnte. Auf jeden Fall war die Kühlwassermenge viel zu gering, so dass nach Tanabe die Kernschmelze wieder einsetzte, was allerdings zu dieser Zeit auch bereits vermutet worden war. Ein großer Teil des geschmolzenen Materials dürfte sich durch den Druckbehälter gefressen und in den äußeren Sicherheitsbehälter gelangt sein. Hier dürfte es nach erneuter Kühlung wieder einen Klumpen gebildet haben.

Auch bei Tepco weiß man nicht genau, was sich im Inneren von Reaktor 3 abgespielt hat. Man hatte nur im Gegensatz zu Tanabe bislang vermutet (oder eher: gehofft), dass sich das geschmolzene Material noch am Boden des Druckbehälters befindet. Das scheint aber nach dem neuen Bericht nicht der Fall zu sein. Tanabe stützt seine Vermutung auch darauf, dass am Morgen des 21. März eine erhöhte Radioaktivität in Fukushima 1 gemessen wurde. Zudem hatte sich zuvor der Druck im Inneren des Behälters stark erhöht, weil das geschmolzene Material der Brennstäbe ausgetreten und in Kontakt mit Wasser geraten sei. Am 21. Und 23. März stiegen schwarze Rauchfahnnen von Reaktor 3 auf. Tepco hatte dies seinerzeit darauf zurückgeführt, dass Öl oder Gummi in Brand geraten sei, für Tanabe ist der Rauch eine Folge eines Kontakts des geschmolzenen Materials mit dem Zement des Sicherheitsbehälters.