Investitionsruinen?

Wer soll eigentlich den ganzen Strom verbrauchen, wenn neue Kohlekraftwerke, Windräder und Solaranlagen gebaut werden und dann noch die AKWs länger laufen

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Was wird eigentlich aus den alten und vor allem den neuen Kohlekraftwerken, wenn die Laufzeiten der AKWs verlängert und die Erneuerbaren weiter ausgebaut werden? Können sie sich noch rechnen?

Problem Nummer 1:

Die Emissionskosten

Wenn sich in der EU eine nur halbwegs vernünftige Klimapolitik durchsetzt, dann werden die Zertifikate für CO2-Zertifikate verknappt und somit verteuert. Das wird insbesondere, aber nicht nur, die außerordentlich emissionsintensiven Braunkohlekraftwerke treffen.

Problem Nummer 2:

Der Brennstoffpreis.Braunkohle ist hierzulande reichlich vorhanden und billig abzubauen. Der Preis sind zwar zerstörte Dörfer und Landschaft, aber derlei immaterielle Schäden tauchen in den Bilanzen der profitierenden Konzerne RWE und Vattenfall nicht auf. Steinkohleabbau funktioniert hingegen im Inland nur mit Milliarden-Subventionen, und trotz der vielen Zuschüsse hängen deutsche Steinkohlekraftwerke im zunehmenden Maße von Importen ab, die sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit ziemlicher Sicherheit erheblich verteuern werden.

Erst kürzlich hat das US-Magazin National Geographic auf seiner Internetseite von einer neuen Studie über die Reichweite der weltweiten Kohlevorräte berichtet. Die Autoren sind zu dem Schluss gekommen, dass "Peak Coal", also der Förderhöhepunkt der Kohle schon im nächsten Jahr erreicht sein könnte. Bis zur Mitte des Jahrhunderts würde die Produktion auf die Hälfte des heutigen Niveaus zurückgehen. Was das für den Preis bei weiter wachsender Nachfrage bedeuten wird, kann man sich an einer Hand ausrechnen. Wie hingegen die Bundesregierung auf die Idee kommt, den Autoren ihres Laufzeitgutachtens als Grundannahme für die durch gerechneten Szenarien einen Kohlepreis zu diktieren, der in den nächsten Jahrzehnten zurückgeht und erst gegen Mitte des Jahrhunderts wieder das heutige Niveau erreicht, ist allein ihr Geheimnis.

Problem Nummer 3:

Das Überangebot

Auch wenn die Taten nicht danach aussehen, beharrt die Bundesregierung darauf, dass ihr der Ausbau der Erneuerbaren eine Herzensangelegenheit sei. Zuletzt beteuerte dies am Mittwoch Jochen Homann, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, im leicht beleidigten Ton auf dem "Alternativen Energiegipfel" der Klima-Allianz. In ihrem Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien hatte die Regierung kürzlich für 2020 einen Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung von 38,6 Prozent angesetzt. (Im Referenzszenarium des Laufzeitgutachtens allerdings nur 33,7 Prozent. Der Bundesverband Erneuerbare Energien nimmt dagegen an, dass 2020 bereits 47 Prozent erreicht sein können.)

Gehen wir also davon aus, dass der "grüne" Strom in nächster Zeit ordentlich zunimmt, sein im Erneuerbareenergiengesetz festgelegter Vorrang unangetastet bleibt und die AKWs mehr Strom als bisher gedacht produzieren. Dann dürfte es fraglich sein, ob die Kohlestromer noch genug Energie am Markt absetzen können, damit sich die Kraftwerke noch rechnen. Der Bund für Umwelt Naturschutz bezweifelt in diesem Zusammenhang, dass Vattenfalls Großkraftwerk, das gerade in Hamburg-Moorburg entsteht, wirtschaftlich sein wird. Auch in Potsdam wurden am Mittwoch Gerüchte laut, dass der schwedische Konzern sich aus der Braunkohle verabschieden könnte.

Fragt sich, was als nächstes kommt.

Ein Angriff auf den Vorrang der Erneuerbaren? Oder werden Vattenfall und RWE freiwillig und vorzeitig ihre Braunkohlekraftwerke stilllegen? Vielleicht ja, wenn Cem Özdemir Bundeskanzler wird?