Um Mussawi wird es einsamer, er beharrt aber weiter auf Neuwahlen

Die Basidsch-Milizen sollen in Häuser eindringen und Menschen brutal verprügeln, um die Rufe von den Dächern, die letzte Form des kollektiven Protests, zu beenden.

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Seit letztem Wochenende haben, nachdem sich der oberste geistliche Führer Khamenei hinter Ahmadinedschad gestellt, die Wahl für gültig erklärt und Proteste verboten hatte, in Teheran die Massendemonstrationen aufgehört. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte und der Basidsch-Milizen setzte die Oppositionellen einem zu starkem Risiko aus, zudem besteht keine Möglichkeit, eine Bewegung zu organisieren. Nachdem auch immer wieder die Präsidentschaftskandidaten, die allesamt der Machtelite angehören und das System erhalten wollen, ihr eigenes Spiel machten, verlor die Bewegung an Dynamik ( Gemauschel in der iranischen Machtelite). Allerdings hört man weiterhin von kleineren Gruppen, die kurz auf den Straßen und Plätzen auftauchen, um gleich wieder zu verschwinden.

Die Regierung hat ein noch härteres Vorgehen angekündigt, zuletzt hat gar Ajatollah Khatami in seiner Freitagspredigt die Todesstrafe für die Verantwortlichen gefordert, während die iranische Führung versucht, die Proteste als Folge ausländischer Interventionen und von Terroristen darzustellen. Ahmadinedschad sucht daher konsequent den Konflikt mit US-Präsident Obama und den europäischen Regierungen.

Nachdem der mediale Raum weitgehend abgesperrt ist und die Sicherheitskräfte Kundgebungen im öffentliche Raum der Stadt schnell unterbinden, hat sich eine Protestform durchgesetzt, die schon von Anfang an praktiziert wurde und bereits bei der Revolution erfolgreich gewesen ist: Jede Nacht versammelten sich viele Menschen auf den Dächern ihrer Häuser und riefen "Allahu Akbar", aber auch "Tod dem Diktator". Damit verschaffen sie sich Präsenz und stärken sich, weil sie erfahren, wie stark der Protest noch ist.

Wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet, sollen aber seit Tagen in der Nacht Basidsch-Gruppen gewaltsam in die Häuser eindringen und die Menschen brutal verprügeln, um ihnen Angst zu machen. Dadurch will man den letzten Protest noch ersticken. Überdies suchen die Basidsch-Milizen und andere Sicherheitskräfte nach Satellitenschüsseln, die sie dann entfernen. Satellitenschüsseln sind seit Jahren eigentlich verboten. Die Regierung will damit ebenso wie mit der Internetzensur verhindern, dass die Menschen Informationen aus dem Ausland beziehen. So will man angeblich Dokumente gefunden haben, die nach dem Justizminister die Einwirkung vom Ausland aus belegen sollen.

Die iranische Führung ist trotz des brutalen Vorgehens gegen die Demonstranten und vieler Verhaftungen weiterhin zerrissen. Uneins sind aber auch mehr und mehr die Präsidentschaftskandidaten Mussawi, Karubi und Resai. Die beiden letzteren, die auch von einer Neuwahl nichts zu gewinnen hätten, ziehen sich allmählich zurück. Resai hat nun die Bildung einer Sonderkommission durch den Wächterrat begrüßt, die 10 Prozent der Wahlstimmen überprüfen sollen, um die Ablehnung des Wahlergebnisses zu dämpfen. Der Kommission sollten neben Regierungsvertretern auch Repräsentanten der drei Präsidentschaftskandidaten angehören. Resai will einen Vertreter schicken, allerdings nur dann, wenn auch die beiden anderen sich anschließen. Er rief sie dazu auf, diese Chance zu nutzen. Auch Rafsandschani, der sich bislang hinter Mussawi gestellt hatte, forderte in einer Erklärung des Expertenrats, dem er vorsteht, alle Präsidentschaftskandidaten auf, auf legalem Weg vorzugehen, die Proteste zu beenden und die Kommission zu unterstützen.

Mussawi und Karubi haben die Frist aber verstreichen lassen und keinen Vertreter ernannt. Mussawi schrieb an den Wächterrat, dass dieser teilweise befangen sei, er fordere deshalb die Einberufung eines wirklich unabhängigen Gremiums, dessen Mitglieder von allen Präsidentschaftskandidaten und den Geistlichen anerkannt werden, um die Wahlergebnisse und die berichteten Unregelmäßigkeiten zu prüfen. Allerdings sei es angesichts der Lage im Land weiterhin besser, die Wahl für ungültig zu erklären und Neuwahlen anzusetzen.