Fall Mollath: Staatsanwaltschaft beantragt Wiederaufnahme

Verteidiger hält baldige Freilassung seines Mandanten für möglich

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Regensburger Staatsanwaltschaft hat gestern einen Wiederaufnahmeantrag im Fall Gustl Mollath gestellt. In der Pressemitteilung der Oberlandesgerichts Nürnberg heißt es, dass die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf neue Tatsachen stütze, die zum Zeitpunkt des Urteils im Jahre 2006 in der Causa Mollath nicht bekannt gewesen seien. Die "nicht bekannten Tatsachen", auf die sich die Behörde bezieht, werden jedoch in der Mitteilung nicht direkt angeführt. Verklausuliert heißt es:

"Der Wiederaufnahmeantrag hat dabei zum Ziel, den Beweiswert einer dem Urteil zugrunde liegenden Urkunde und die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen einer erneuten gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Daneben werden Gesichtspunkte vorgetragen, die für die psychiatrische Begutachtung von Bedeutung sein können."

Die Angaben lassen darauf schließen, dass es sich bei dem "Beweiswert einer dem Urteil zugrunde liegenden Urkunde", um ein Attest handelt, über das bereits breit in den Medien berichtet wurde. Das Attest stammt aus der Arztpraxis, die Mollaths Frau aufsuchte, um Körperverletzungen, die ihr angeblich durch ihren Mann zugefügt worden sein sollen, dokumentieren zu lassen.

Im November berichtete das Magazin Stern, dass sich die Ärztin nicht an das Attest erinnern könne. Wochen später schrieb Spiegel Online , das Attest sei gar nicht von der Ärztin selbst, sondern vom Sohn der Ärztin, der damals als Arzt in der Praxis tätig war, ausgestellt worden. Der Blog delegibus hat sich mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt, dort heißt es:

"Dieses Attest war laut Erklärung des Sohnes der Ärztin Dr. Reichel von diesem selbst ausgestellt. Dieses Attest – es liegt mir in Kopie vor – beginnt mit dem Briefkopf "Dr. med. Madeleine Reichel”, enthält im wesentlichen die im SPIEGEL-Artikel wörtlich wiedergegebenen Befunde und endet mit einem unleserlichen Namenszug, über den ein Stempel "Dr. med. Madeleine Reichel” aufgedrückt ist und dessen Unterzeile lautet "Dr. med. Madeleine Reichel”. Damit handelt es sich im Sinne des Urkundenbegriffs des § 267 Abs. 1 StGB und des § 359 Nr. 1 StPO um eine Urkunde, deren Aussteller im Rechtssinne Dr. med. Madeleine Reichel war (sog. "Geistigkeitstheorie”, siehe etwa OLG Hamm, Beschluß vom 24.09.2002 – 1 Ss 743/02). Wenn tatsächlich aber ihr Sohn das Attest geschrieben hat, dann spricht einiges dafür, daß es sich um eine zumindest objektive Urkundenfälschung handelt."

Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk äußerte sich der Strafverteidiger Gerard Strate, der im Dezember einen eigenen Antrag auf Wiederaufnahme gestellt hat und Mollath in dem Verfahren unterstützt: "Es kann sein, dass das Gericht schon von Amtswegen, aufgrund einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Wiederaufnahme, auch schon die vorzeitige Entlassung von Herrn Mollath anordnet, also schon vor dem Prozess. Das kann durchaus auch schon innerhalb der nächsten zwei Wochen passieren."

Erika Lorenz-Löblein, die Gustl Mollath ebenfalls als Anwältin vertritt, sagte gegenüber Telepolis, dass der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft nur eine Frage der Zeit war, da Justizministerin Beate Merk eine Anweisung zur Prüfung eines Wiederaufnahmeverfahrens erteilt habe und es darüber hinaus eine Reihe an faktisch gegebenen Gründen für ein solches Verfahren gäbe.

Lorenz-Löblein verwies außerdem darauf, dass noch immer eine Entscheidung des Landgerichts Bayreuth zur Unterbringung von Gustl Mollath aussteht. Die Anwältin hat eine erneute Prüfung der Unterbringung im November beantragt. Sie vermutet, so äußerte sie sich gegenüber Telepolis, dass "die Gerichte Bayreuth und Regensburg sich nun gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben, wer zuerst über die weitere Unterbringung entscheidet."