Neue Phase im Syrien-Konflikt?

Verlegung der Zentrale der FSA erregt Misstrauen

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Vor wenigen Tagen erklärte die Führung der Freien Syrischen Armee (FSA), ihre Kommandozentrale aus dem tuerkischen Antakya in befreite syrische Gebiete verlegen zu wollen. Dies mag als eine weitere belanglose Grossankündigung in einem chaotischen Krieg verstanden werden. Oder als Alarmsignal.

Den Sprecher der den Muslimbrüdern nahestehenden Brigade "Liwa'al-Tauhid", die vor allem in Aleppo kämpft, lässt die Nachricht von der Verlegung der FSA-Zentrale kalt. "Die Rebellen vor Ort bewirken ohnedies weit mehr als diejenigen, die seit anderthalb Jahren hinter irgendwelchen Schreibtischen sitzen", sagt der Mann namens Abdallah gegenüber der libanesischen Tageszeitung As-Safir. Nicht anders reagiert Abu Somar, Führer der "Vereinigung der Brigaden der Enkel des Propheten". Seine Bewaffneten seien seit Wochen in jenen Aleppiner Vierteln im Einsatz, die am heftigsten umkämpft seien. Die Verlegung einer sogenannten Kommandozentrale werde daran nichts ändern, schließlich würden sie, die Kämpfer vor Ort, die Strategien bestimmen.

Türkei als Drahtzieher

Dies mag stimmen. Ebensogut mag Profilierungssucht im Spiel sein und die Furcht, dass sich die "Herren der Schreibtische" nun als Taktgeber auf dem Schlachtfeld aufspielen wollen. Denn, ganz so nebensächlich, wie viele Rebellen sie darstellen, sind die syrischen Generäle in Antakya nicht - werden sie doch von der Türkei mit Geld und Waffen unterstützt. In Ankara vermutet daher so mancher auch den eigentlichen Drahtzieher der Verlegung.

Die Entscheidung, schreibt etwa der Politikanalyst Mahmud Nur el-Din in As-Safir, sei eine Folge des schlechten Images, das internationale Medien in den vergangenen Monaten der Türkei verpasst hätten. "Sie gilt als Sammelbecken von Kämpfern aller Couleur, von Dschihadisten bis zu Mitgliedern der al-Qaida, die muühelos die türkische Grenze gen Syrien überqueren", schreibt Nur el-Din. Dergestalt sei die Tuerkei zunehmend als "Land jenseits der Gesetze" erschienen. Dies, vermutet die türkische Zeitung "Milliyet" in ihrer Ausgabe vom vergangenen Dienstag, dürfte nicht nur Ankara, sondern auch Washington missfallen haben. Sei es etwa ein Zufall, dass die Entscheidung zur Verlegung der FSA-Zentrale so kurz auf den Türkei-Besuch des US-Generalstabschefs Martin Dempsey Mitte September erfolgt sei?, fragt "Milliyet".

Dieser hatte Ankara damals ermahnt, das Einsickern von al-Qaida-Aktivisten in die Türkei und nach Syrien zu unterbinden. Durch die Verlegung könne man dies besser bewerkstelligen, da al-Qaida-Mitglieder in den Reihen der FSA ohnedies unerwünscht seien und der rege Grenzverkehr nun aufhöre. Parallel wuerde die Anzahl syrischer Kämpfer in den zur Pufferzone werdenden befreiten Gebieten erhöht, was möglicherweise weitere syrische Soldaten zum Desertieren ermutige.

Dass die Tuerkei und ihre Verbündeten mit der Verlagerung der Kommandozentrale auf syrisches Terrain auch ihre Einmischung und logistische Unterstützung aufgeben, glaubt indes keiner. Nur el-Din vermutet gar das Gegenteil: Es sei der Auftakt zu einer neuen Entwicklung - nur staatlich souveräner verpackt.