Kurzer Prozess: Merkel schmeißt den Loser Röttgen aus der Regierung

Knapp und cool hat die Kanzlerin den Verlierer vom Rhein entlassen, zuvor hatte der bayerische Ministerpräsident Seehofer polternd seinen Missmut demonstriert und indirekt das Baueropfer gefordert

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Bundeskanzlerin Merkel handelte dieses Mal fast blitzschnell. Bevor der große Loser der NRW-Wahlen Merkel mit seinem Makel anstecken konnte, entließ sie ihn kurz und bündig. Er bekam offenbar nicht einmal die Chance, selbst den Rücktritt zu erklären, oder hat auf die ausgesprochenen Drohungen nicht schnell genug reagiert. Zweimal soll Merkel Röttgen zum Rücktritt aufgefordert haben. Seitdem hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sich den Slogan von der Persönlichkeitswahl zu eigen gemacht und die Schuld am tiefen Absturz der CDU in NRW einzig dem bereits vom Parteivorsitz zurückgetretenen Spitzenkandidaten zugeschoben.

Am Montagabend setzte sich Seehofer im ZDF geschickt und Authentizität inszenierend in Pose und zog wütend über die Koalitionspartner in Berlin, vor allem aber über Röttgen her. Und das sollte auch jeder, insbesondere die Kanzlerin, öffentlich mitbekommen, schließlich fürchtet Seehofer im nächsten Jahr um den Sieg der CSU in den bayerischen Landtagswahlen und will nun endlich auch Stärke in Berlin zeigen, wo er schon öfter Schritt für Schritt die selbst gezogenen roten Linien überschritten hat.

Seehofer macht vor allem die Weigerung Röttgens verantwortlich, sich nicht für NRW entschieden, sondern sich den Rückweg nach Berlin offengehalten zu haben. Lieber Minister als Chef einer Oppositionspartei, die man mit ins Unglück geritten hat. Dabei dürften auch persönliche Gründe eine Rolle bei dem smarten Röttgen gespielt haben, der als fast noch einzig verbliebener Hoffnungsträger der CDU - alle anderen möglichen Anwärter oder Nachfolger hat Merkel bereits beiseite geräumt - auf Höheres in seiner Karriere aus war. Das Verhalten hat sicher zur Wahlniederlage beigetragen und die Politikerverdrossenheit bestärkt, wie Seehofer sagt.

Nach dem ungeschminkten und von Merkel nicht weiter begründeten Rauswurf von Röttgen und der Nominierung ihres beredten, von der Körperfülle der SPD-Troika ähnelnden Peter Altmaier, der schon lange in schwierigen Missionen für Merkel ausputzt und glättet, hat sie nicht nur Seehofer nachgegeben, sondern auch versucht, mit der schnellen Distanzierung jeden Angriffspunkt von sich zu weisen. Röttgen ist allerdings nur ein krachender Verlierer, im Kabinett wären noch weitere unglückliche Gestalten zu finden.

Mit dem Bauernopfer Röttgen, dem Merkel aber auch schon als Umweltminister einige Prügel zwischen die Füße geworfen hatte, sind die politischen und personellen Probleme der CDU und der Regierungskoalition bei weitem nicht gelöst, wie sich bei allen Landtagswahlen gezeigt hat. Für die Union ist besonders bedenklich, dass die Liberalen, die bisherigen Loser, auf Kosten der Schwarzen wieder im Aufwärtstrend sind, so dass Merkel nun vermehrt unter Druck von CSU und FDP gerät, die sich schon lange bekriegen und sich jetzt neu aufstellen werden.

Seehofer hat das schon mit dem ansonsten unbeliebten Betreuungsgeld klar gemacht, das auf Biegen und Brechen durchgesetzt werden soll. Zudem werden auch in der FDP nach den beiden für die Landesparteien erfolgreichen Wahlen Machtkämpfe ausgetragen. Mit dem neuen sozialdemokratischen französischen Präsidenten weht zudem ein neuer Wind durch Europa, der auch die bislang viele Entscheidungen mittragenden SPDler stärker auf Konfrontationskurs setzen wird. Noch ist Merkel unangefochten, aber der Boden unter ihr bröselt doch bedenklich. Auch in der Partei finden nicht alle den coolen Rauswurf gut. So "bedauert" Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) den Rauswurf, auch Wolfgang Bosbach geht auf Distanz.