Verfassungsschützer als Demokratielehrer an Grundschulen

In Niedersachsen soll der Geheimdienst nach Wunsch des Innenministers schon die kleinen Mitbürger gegen Extremismus immunisieren

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Bildung ist eins der ganz wichtigen Themen, die meist mit großem Ernst in Begleitung daherschreiten. Überall ist die Rede von Bildung und Förderung, im Supermarkt, im Taxi, beim türkischen Gemüsehändler, im Büro, beim Essen, im Fernsehen bei Sarrazin sowieso und selbst in der Hundeschule. Keine Überraschung also, dass auch die Spürnasen der Nation das Riesenthema entdeckt haben. Und dem Verfassungsschutz sei es gedankt, dass endlich etwas Spaß in die ernste Sache kommt, auch wenn die Grünen nachhelfen mussten.

Der Verfassungsschutz in Niedersachen will ein gewandeltes Selbstverständnis - Stichwort "mehr Offenheit" - in die Tat umsetzen; erster´Tatort ist die Schule. Mit Nachhilfe des niedersächsischen Innenministers Schünnemann wollen Verfassungsschützer künftig Schüler schon im Grundschulalter gegen extremistische Indoktrination schützen. Die von Schünnemann vorgestellten Präventions-Projekte des Verfassungsschutzes verstehen sich als "Angebote für alle Altersgruppen":

"Es handelt sich um eine Grundrechtefibel für Grundschüler, um drei Extremismus-Comics für Schüler ab der 7. Klasse, um ein Planspiel für Schülergruppen ab der 10. Klasse sowie um die Ausbildung von erwachsenen Demokratielotsen."

In der Grundrechte-Fibel, so klärt der Verfassungsschutz auf seiner Website auf, werden in altersgerechter Weise Grundrechte-Artikel des Grundgesetzes vorgestellt. Dazu werden "Geschichten erzählt und Spiele angeboten".

Das mag manchem harmlos vorkommen - und manche neugierig darauf stimmen, welche Geschichten die Leute vom Verfassungsschutz so vom Leder lassen. (Vorstellbar ist das etwa bei dem ehemaligen Politikwissenschaftsdozenten, der ein Proseminar zum Terrorismus in Deutschland durchführte und ein paar Wochen später die Wohnung tagelang aufräumen musste und ohne Bücher dastand, weil er Besuch vom Verfassungsschutz bekommen hatte, was den vorher so heiteren und lebensbejahenden CSU-Mann in eine längere grüblerische Krise zog.)

Für die Landtagsgrünen in Niedersachsen ist das Präventionsprojekt von Grund auf ein "kompletter Spleen". Deren Sprecher Ralf Briese kommentiert die präventive Lehrertätigkeit des Verfassungsschutzes als Versuch der "Indoktrination". Die Schule sei ein politisch neutraler Ort. Der Verfassungsschutz nicht. Er solle sich besser auf seine Kernaufgaben konzentrieren, die Briese in diesem Zusammenhang mit "Eingriff in Bürgerrechte zum Beispiel mittels Telefonüberwachung und Abhörwanzen" umschreibt. Das Amt, das dem Innenministerium angegliedert ist, sei "weltanschaulich aufgeladen" und habe "von Pädagogik ungefähr genau so viel Ahnung wie der Ölkonzern BP vom Schutz der Meere".