Harvard-Studenten rebellieren gegen Neoklassik-Starökonom Greg Mankiw

Seine "spezielle und beschränkte Sichtweise der Ökonomie" sei akademisch nicht legitim und fördere "problematische und ineffiziente Systeme ökonomischer Ungleichheit"

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Für Studien wie Economics, Environmental Science und Public Policy ist an der US-Eliteuniversität Harvard eine Einführungsvorlesung ("Economics 10") in Ökonomie zwingend vorgeschrieben, die in diesem Jahr ausschließlich von Professor Greg Mankiw angeboten wird. Allerdings war Mankiw von 2003 bis 2005 Chairman des "Council of Economic Advisers" von President George W. Bush und wurde dann Berater des Republikaners Mitt Romney, was ihn jahrelang zu einem der weltweit einflussreichsten Wirtschaftsprofessoren überhaupt machte. Dafür qualifizierten den führenden Vertreter der "New Keynesian Economics" offenbar seine extrem marktliberalen Ansichten, die ihn zudem zu einem der 25 am häufigsten zitierten lebenden Ökonomen und zum Autor eines der am weitesten verbreiteten Ökonomie-Handbücher machte.

In Anlehnung an die Occupy-Wallstreet-Bewegung verweigerten vergangenen Mittwoch nun einige der rund 700 Erstsemester den neoliberalen Ergüssen allerdings die Aufmerksamkeit und verließen demonstrativ den Hörsaal, wobei nicht ganz klar ist, wie viele der Studenten tatsächlich teilgenommen haben. Es dürfte aber weit weniger als die Hälfte gewesen sein. Mankiw behauptet selbst in seinem Blog, dass nur fünf bis zehn Prozent der Hörer gegangen wären, wobei gleichzeitig etliche Mankiw-Befürworter aus höheren Semestern "demonstrativ" teilgenommen hätten und die Vorlesung wie geplant abgehalten worden sei. Das bestätigt indes auch das Uni-Journal Harvard Crimson, das von etwa 70 protestierenden Studenten spricht und den Professor massiv in Schutz nimmt. So würden die Studenten die akademische Freiheit beschneiden, indem sie Mankiw aus der Diskussion ausschließen wollten. Dabei würden sie nicht Solidarität (mit der Occupy-Bewegung), sondern Ignoranz und mangelnde Selbsterkenntnis demonstrieren.

Wie die Studenten in einem offenen Brief konstatieren, präsentiere Mankiw ausschließlich eine "spezielle und beschränkte Sichtweise der Ökonomie", die aus Sicht der Studenten "problematische und ineffiziente Systeme ökonomischer Ungleichheit" aufrechterhalte. Demgegenüber würden sie sich eine breit angelegte Einführung in die Ökonomische Theorie erwarten, die ihnen helfen würde, die dahingehenden Anforderungen der einzelnen akademischen Disziplinen zu meistern. Legitime akademische Studien müssten jedenfalls eine kritische Diskussion der Stärken und Schwächen unterschiedlicher simplifizierender Modelle umfassen, was nicht der Fall sei. So verzichte Mankiw auf Primärquellen und greife kaum auf Journal-Artikel zurück, weshalb den Studenten kaum Zugang zu alternativen Sichtweisen geboten werde.

Da Harvard-Absolventen in Finanzinstitutionen aber häufig führende Rollen bekleiden und so weltweit die Finanzpolitik beeinflussen, könnten sie dem globalen Finanzsystem großen Schaden zufügen, sollte Harvard ihnen kein "breites und kritisches Verständnis" der Wirtschaft ermöglichen, wofür die vergangenen fünf Jahre voller Finanzmarktturbulenzen ausreichende Beweise lieferten.

Nachdem sie den Hörsaal verlassen hatten, schlossen sich die Studenten, "da die einseitige Natur der Vorlesung die steigende Ungleichheit symbolisiert und zu ihr beiträgt", einem unabhängig davon in Boston laufenden Protest der Occupy-Bewegung an, die sich gegen die "Corporatization" der höheren Bildung wandte. Professor Mankiw wurde indes aufgefordert, die Sorgen der Studenten Ernst zu nehmen.