Friedens- und Bürgerrechtsgruppen fordern völkerrechtliche Ächtung von Kampfdrohnen

Mehr als 80 Gruppen, Initiativen und Vereine geben morgen einen Appell gegen bewaffnete Drohnen heraus. Die Bundesregierung schießt sich mittlerweile auf die Entwicklung einer europäischen Kampfdrohne ein

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Der von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) vorab veröffentlichte Aufruf richtet sich an die Bundesregierung und den Bundestag. Gefordert wird, auf die Anschaffung bewaffneter Drohnen zu verzichten. Diesbezügliche Überlegungen hatte die Bundesregierung vor zwei Monaten in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage durchscheinen lassen. Das Verteidigungsministerium teilte damals mit, dass zunächst eigene Aufklärungsdrohnen gekauft werden sollen. Die neuen Geräte sollten aber die Möglichkeit einer späteren Bewaffnung bieten.

Derartigen Plänen erteilen Friedens- und Bürgerrechtsgruppen zu Beginn der bundesweiten Ostermarschaktionen eine klare Absage: Die Schwelle zu bewaffneten Aggressionen würde durch Drohnenangriffe weiter gesenkt, die Bevölkerung betroffener Landstriche terrorisiert und "an Leib und Leben gefährdet". Die Entwicklung von "Killer-Robotern" setze eine neue Rüstungsspirale in Gang.

Entscheidung über Kampfdrohnen auf 2014 vertagt

Fast scheint es, als habe die Bundesregierung bereits von dem Aufruf Wind bekommen: Am Mittwoch meldete das Handelsblatt in seiner Printausgabe, dass die Koalition bei der Anschaffung von Kampfdrohnen auf die Bremse treten will. Um ein negatives Image vor der Bundestagswahl im September zu vermeiden, soll dies frühestens 2014 auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Sollte das Handelsblatt Recht behalten, würde davon zunächst das Konsortium aus Israel Aerospace Industries und Rheinmetall profitieren. Denn damit die Bundeswehr nicht ganz ohne hoch fliegende Drohnen dasteht, werden die mit beiden Firmen bestehenden Leasingverträge für eine israelische Aufklärungsdrohne vermutlich verlängert. Diese Flugroboter vom Typ Heron 1können allerdings nicht bewaffnet werden. Für die US-amerikanische Drohnenindustrie dürfte die Entscheidung des deutschen Verteidigungsministeriums ebenfalls richtungsweisend sein. US-Konzerne buhlen mit israelischen Firmen um Absatzmärkte in Europa, aber auch in arabischen und nordafrikanischen Ländern ( Rüstungsindustrie bläst zum Drohnen-Wettlauf im Mittleren Osten).

Der Bundesverteidigungsminister will angeblich noch im Frühjahr eine "Richtungsentscheidung" zur Beschaffung von Kampfdrohnen treffen. Bis vor drei Jahren favorisierten die deutschen Militärs die Talarion-Drohne von EADS, zu der die Firma bereits ein erstes Modell vorstellen konnte. Nachdem die Bundesregierung aber jede finanzielle Beteiligung gestrichen hatte, legte die EADS-Tochter Cassidian das Projekt auf Eis.

Jetzt heißt aus dem Verteidigungsministerium, dass wieder eine "europäische Drohne" bevorzugt würde. Als mögliche Partner für die entsprechende Entwicklung gelten Frankreich, Italien und die Türkei.

EU-Forschungen könnten Bundesregierung finanziell entlasten

Wenn der Wirbel um die Beschaffung von US-Kampfdrohnen zur Wiederaufnahme der Entwicklung eines europäischen Modells führt, wäre dies ein Pyrrhus-Sieg. Zum Glück beschränkt sich der Aufruf der Friedens- und Bürgerrechtsgruppen aber nicht auf Kampfeinsätze: Beargwöhnt wird die "Etablierung von Drohnen bei Kriegseinsätzen, zur Überwachung und Unterdrückung". Zu den Forderungen gehört deshalb auch, keine Gelder in entsprechende Forschung und Entwicklung zu investieren.

Der im Appell angemahnte Verzicht auf Forschungsgelder dürfte insbesondere die Europäische Union in Verlegenheit bringen: Die Europäische Agentur für Luftsicherheit (EASA) in Köln will bis 2016 gemeinsame Standards zum Betrieb größerer Drohnen im zivilen Luftraum entwickeln. Dann könnten die unbemannten Luftfahrzeuge auch von gewöhnlichen Flughäfen starten. Um für die Drohnen ein Ausweichen vor anderen Luftfahrzeugen technisch umzusetzen, finanziert die EU-Kommission etliche Forschungsprojekte. Auftragnehmer sind große europäische Rüstungskonzerne wie EADS und Thales ( EU will zivilen Luftraum für schwere Drohnen öffnen).

Die EU-Forschungen zur Vermeidung von Kollisionen könnten der Bundesregierung finanziell von großem Vorteil sein: Denn die Lösung dieser Problematik ist Bedingung, um neue Drohnen mit einer luftfahrtrechtlichen Zulassung auszustatten. Weil dies eine halbe Milliarde Euro kosten würde, ist mittlerweile auch der Kauf der riesigen Aufklärungsdrohne Euro Hawk gefährdet. Ursprünglich wollte die Bundeswehr neun derartige Geräte beschaffen ( Drohnen: Fünf Prozent stürzen ab).

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http://drohnen-kampagne.de

Der Appell "Keine Kampfdrohnen!" kann ab Sonntag auf der Webseite des Bündnisses unterstützt werden. Dort finden sich auch weitere Informationen und Materialien zum Thema.