Fall Mollath: "Durch die Freilassung ist der Rechtsstaat nicht wiederhergestellt"

Initiative der Bayerischen Strafverteidiger fordert Richterwahlausschüsse – Rücktrittsforderungen an Merk - Krumme Geschäfte der HypoVereinsbank

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Seit zwei Tagen ist Gustl Mollath in Freiheit. Über sieben Jahre war der 56-Jährige in der forensischen Psychiatrie weggesperrt. Doch die Tatsache, dass Mollath nun ein freier Mann ist, ändert nichts am öffentlichen Interesse, das an dem Fall besteht.

Nun hat sich die Initiative der Bayerischen Strafverteidiger und Strafverteidigerinnen zu Wort gemeldet und spricht das aus, was immer wieder auch in den Foren der Medien im Internet zu lesen ist: "Durch die Freilassung von Herrn Mollath ist die Sache jedoch nicht wieder 'gut', und der Rechtsstaat nicht wiederhergestellt. Ein Mann wurde sieben Jahre seiner Freiheit beraubt und wäre ohne Öffentlichkeit und Unterstützerkreis verloren gewesen", heißt es in einer Pressemitteilung der Initiative.

Mit scharfen Worten kritisieren die Strafverteidiger die Justiz in Bayern. Die umstrittene Entscheidung der 7. Strafkammer des Regensburger Landgerichts, die noch am 24. Juli beide Wiederaufnahmeanträge in Sachen Mollath abgewiesen hat, sei für diejenigen, die die "bayerischen Verhältnisse" kennen, keine Überraschung. Die bayerische Justiz handele nach dem Grundsatz: "In Bayern gibt es keine Wiederaufnahme – bayerische Richter und Staatsanwälte handeln immer richtig."

Das Problem sei, dass in Bayern die Justiz selbst darüber entscheide, wer an welcher Stelle im Justizsystem tätig werde. Und genau dieser Umstand führt, nach Meinung der Initiative, zu Richtern vom "Typ Brixner", der keine Ausnahme darstelle. "Selbstbewusste, berufserfahrene Juristen sind unerwünscht…Lebenserfahrung, Empathie, Charakterstärke oder sonstige 'Sekundärtugenden' sind keine Einstellungsvoraussetzungen."

Die Initiative fordert nun, dass in Bayern endlich Richterwahlausschüsse installiert werden, die es auch in anderen Bundesländern bereits gibt. Diese Ausschüsse seien den Länderparlamenten angegliedert. Dort werde "zumindest versucht, nach demokratischen Grundsätzen die Auswahl von Richtern und Staatsanwälten zu organisieren".

Hart geht die Initiative auch mit den politisch Verantwortlichen ins Gericht. "Die Politik gibt sich ahnungslos" und von politischer Seite hieße es immer, eine unabhängige Justiz ließe keine politische Beeinflussung zu. Doch für die Initiative der Bayerischen Strafverteidiger und Strafverteidigerinnen ist diese Argumentation hohl. "Niemand", so heißt es in der Pressemitteilung, "stellt sich die Frage, wie eine demokratisch legitimierte Justiz hergestellt werden kann."

Der Grünen-Politiker Martin Runge fordert indes erneut den Rücktritt der bayerischen Justizministerin Beate Merk: " Bis zuletzt hat sie Landtag und Öffentlichkeit mit Halb- und Unwahrheiten bedient und sie hat selbst vor dem Untersuchungsausschuss Unwahrheiten kundgetan…Frau Merk ist als Ministerin untragbar. Horst Seehofer muss sie unverzüglich entlassen", erklärt Runge.

Auch Mollath selbst kritisierte Merk, die so agiere, als habe er nun die Wiederaufnahme seines Verfahrens ihr zu verdanken. "Die Wirklichkeit ist völlig anders, als Frau Merk jetzt tut."

HypoVereinsbank in den USA wegen Steuerhinterziehung verurteilt

Mollaths Vorwürfe wegen der angeblichen Schwarzgeldgeschäfte bei der HypoVereinsbank im großen Stil erscheinen derweil in einem noch klareren Licht, wenn man in Betracht zieht, dass die Bank offensichtlich des Öfteren mit den Gesetzen in Konflikt geraten ist – nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA.

In einer Veröffentlichung der Staatsanwaltschaft des südlichen Distrikts in New York aus dem Jahr 2006 wurde bekannt gegeben, dass die Bank zugestimmt hat, 29 Millionen US-Dollar als Strafe für kriminelle Handlungen im Kontext der Steuerhinterziehung zu zahlen, damit eine weitere Strafverfolgung ausgesetzt wird. Die Bank soll nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft zusammen mit einer anderen Firma für einen Steuerschaden von geschätzten 2,5 Milliarden US-Dollar verantwortlich sein. In der Veröffentlichung heißt es:

"According to the charges, HVB and its co-conspirators concocted tax shelter transactions – and false and fraudulent factual scenarios to support them – so that wealthy United States citizens would pay fees to HVB, the Larson/Pfaff/Makov entities, KPMG, law firms, and other firms and individuals instead of paying billions of dollars in taxes owed to the Government. As a result, it is charged, HVB, the Larson/Pfaff/Makov entities, KPMG, and their co-conspirators filed and caused to be filed false and fraudulent tax returns that claimed the phony tax losses. The Information against HVB charges that as part of the conspiracy to defraud the United States, HVB and its co-conspirators prepared false and fraudulent documents to deceive the IRS should it learn of the transactions, including engagement letters, transactional documents, representation letters and opinion letters.” Die New Yorker Staatsanwaltschaft spricht in diesem Zusammenhang gar vom größten Kriminalfall im Steuerbereich ("largest criminal tax case ever filed…").

Auch Mollath, darauf sei aufmerksam gemacht, machte im Zusammenhang mit den Schwarzgeldgeschäften vom Superlativ Gebrauch.

Doch auch in jüngster Zeit ist die HVB in negativen Schlagzeilen. So berichtete August 2012 Spiegel Online, US-Behörden haben Ermittlungen gegen die HVB aufgenommen wegen angeblicher "Verstöße gegen Iran-Sanktionen". Und erst im Februar dieses Jahres geriet die Bank auch in Deutschland wegen Steuerhinterziehung mit Dividendenpapiere unter Verdacht. Die Wirtschaftswoche berichtet etwa:

"Zunächst hatten sich die Untersuchungen auf einen Berliner Immobilieninvestor konzentriert, der den Fiskus zusammen mit HVB-Mitarbeitern mit dem "Dividenden-Stripping" in den Jahren 2006 bis 2008 um 124 Millionen Euro gebracht haben soll. Er bestreitet die Vorwürfe. Doch die Münchener HVB hat das umstrittene Modell auch in mehr als zehn Fällen pro Jahr im Eigenhandel - also ohne Kundenauftrag - angewandt, wie sie eingeräumt hat."

Mollath selbst hat immer wieder betont, dass es bei den Schwarzgeldgeschäften, die er anprangert, insgesamt um große Summen geht.