Benutzte "Raubkopierer-sind-Verbrecher"-Kampagne selbst Raubkopien?

Gericht stellte fest: Komponist von Anti-Piracy-Clip um Tantiemen betrogen

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Juristische Schlappe für Verwerter: Die niederländische Verwerter-Agentur Stemra wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie fällige Lizenzgebühren vorenthalten hatte. Ausgerechnet für die Musik eines Anti-Piracy-Clips hatte man Tantiemen nicht an einen Künstler ausgezahlt. Ein Amsterdamer Gericht verhängte eine Geldstrafe von ca. 20.000 Euro und bestätigte Forderungen des Musikers in Höhe von ca. 160.000 Euro, meldete digitaljournal.com.

Nun wurde sie selbst beim Raubkopieren erwischt - eine teure Ironie. Immer wieder wirft sich die Medienindustrie in die Brust, sie kämpfe gegen verbrecherische Raubkopierer für die armen Künstler. Schon 2001 drohte eine Verleger-Kampagne in großen Zeitungsanzeigen mit der "Entlassung" von freien Journalisten und Künstlern. Man hätte einfach kein Geld mehr für sie, würden die Interessen der Verwerter nicht durchgesetzt.

Dafür produziert sie teure Werbeclips und nervt jeden Kauf-DVD-Seher mit ihren selbstgerechten und verlogenen Tiraden (Raubkopieren ist bislang keineswegs ein "Verbrechen", auch wenn die Verwerter das Strafmaß dafür gerne so hoch schrauben würden). Politiker springen der Industrie gern zur Seite und mahnen mehr Achtung vor der Leistung der Kreativen bei den Internet-Usern an. Doch wie steht es mit der Moral der Verwerter selbst, wenn es um die Zahlung für kreative Leistungen geht? Schlecht.

Wer ein Werk (ob Bild, Ton oder Text) verkauft, wird meist mit einer mageren Einmalzahlung abgespeist und muss künftig selbst hinter den multinationalen Konzernen herlaufen, um zu kontrollieren, ob und wo sein Werk erneut verwendet wird. Um selbst diese geringen Chancen der Kreativen auf Partizipation an den gigantischen Gewinnen der Konzerne noch zu unterbinden, müssen die meisten Autoren (Medien-Prominenz der "The-winner-takes-all"-Fraktion natürlich ausgenommen) Knebelverträge unterschreiben. Hierin sichert sich der Verwerter alle Rechte für immerdar am einmal mager bezahlten Werk und, wenn es nach der Unternehmerseite geht, auch gleich an den kompletten Recherchen des Autors. Wer das nicht will, wird oft mit Boykott erpresst; wer sich dagegen öffentlich zur Wehr setzt, muss fürchten, auf einer Schwarzen Liste zu landen.

Doch selbst wer Rechte hat, muss sie aiuch schon mal gerichtlich durchsetzen wie der niederländische Musiker Melchior Rietveldt, der mit seinem Fall in Amsterdam Wellen schlug.

Im Jahr 2006 komponierte Melchior Rietveldt ein Musikstück für eine Anti-Piracy-Kampagne bei einem lokalen Filmfestival. Als Rietveldt 2007 eine Harry-Potter-DVD kaufte, entdeckte er sein Musikstück darauf: Der Anti-Piracy-Clip war ohne seine Erlaubnis mit seiner Komposition unterlegt. Er fand sich solcherart raubkopiert auf Dutzenden von DVDs in den Niederlanden und im Ausland. Rietveldt wandte sich an die zuständige Verwerter-Agentur Buma/Stemra (die niederländische GEMA). Die hatte seine Rechte zwar vertreten, aber leider versäumt, ihn für das oft verwertete Stück zu bezahlen. Rietveldt erhielt von der Stemra einen Vorschuss von 15.000 Euro mit dem Versprechen, eine Liste der anderen DVDs zu übermitteln, die seine Komposition verwenden. 2009 forderte Rietveldt von der Stemra einen Nachschlag und bekam nach einigem Gerangel weitere 10.000 Euro.

Die Rietveldt von der Stemra versprochene DVD-Liste kam zwar nie bei ihm an, aber das Gericht in Amsterdam stellte diese Woche dennoch fest, seine Komposition sei auf mindestens 71 kommerziellen DVDs von der Medienindustrie verwendet worden. Die Justiz entschied, dass die Stemra fahrlässig gehandelt habe. Sie wurde mit einer Geldstrafe von 20.000 Euro belegt und muss künftig ausstehende Zahlungen leisten.