AfD beginnt Genderdebatte

Alternativdeutscher Gemischtwarenladen warnt vor "Genderstudien für Windräder"

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Auf der Facebook-Seite der angeblichen "Professorenpartei" AfD bezieht diese (oder ihre PR-Agentur) zu etlichen Themen populistische Standpunkte, wettert etwa gegen die "GEZ" (die es als solche seit dem 01.01.2013 nicht mehr gibt) und wildert bei Angeboten anderer Parteien. Nunmehr bietet die AfD auf ihrer Facebookseite an, den "Gender-Wahn" zu stoppen:

Simple Wahrheit: Mann und Frau sind verschieden. Wir fordern einen Stopp der staatlichen Förderung der Gender-Ideologie. Männer und Frauen denken, fühlen und handeln naturgegeben unterschiedlich – das weiß jedes Kind und die Wissenschaft hat es bewiesen. Es geht nicht an, dass an Universitäten mit bizarren Argumentationen das Gegenteil erforscht werden soll, Gesetze auf ihre Gendertauglichkeit ausgerichtet werden oder z. B. für jedes neue Windrad eine Genderstudie erstellt werden muss. Das ist Nonsens, der noch dazu Unsummen an Geld verschlingt.

Windräder, für die Gender-Studien erstellt wurden, sind bislang allerdings nicht bekannt. Zwar ergab eine Google-Suche, dass es im Jahre 2008 tatsächlich einmal jemandem gelungen ist, einen Zusammenhang zwischen Windrädern und Genderfrage zu konstruieren, ein politischer Handlungsbedarf scheint jedoch nicht geboten zu sein: Windräder als solche sind nach Stand der Wissenschaft Neutrum ( das Windrad).

Ferner ist unklar, was genau AfD-Kinder darüber wissen, wie Frauen und Männer denken und fühlen, zumal das biologische Geschlecht nicht notwendig mit dem seelischen Geschlecht identisch ist, denn 5% bis 10% aller Menschen empfinden sich als homo-, trans-, inter- oder asexuell. Wie Frauen denken, ist offenbar selbst für viele erwachsene Männer in höchstem Maße rätselhaft. "Unsummen", die bei nicht gegenderten Gesetzestexten eingespart werden könnten, scheinen auch nicht zu bestehen, jedenfalls nicht in einem Umfang, mit welchem man den Euro retten könnte.

Den lebensfremden Gebrauch von gegenderter Schreibweise, etwa das nie in der Alltagssprache praktizierte Binnen-I, lehnen für sich auch andere Parteien ab, ohne allerdings eine politische Forderung an den Gesetzgeber zu richten oder sich dem Stammtisch anzubiedern. Die Piratenpartei etwa hatte die Aussageschwäche des biologischen Geschlechts zum Anlass genommen, das Geschlecht der Mitglieder nicht einmal zu erfassen und die Satzung bewusst im generischen Maskulinum zu fassen, zumal dies die praktische Lesbarkeit von Texten erhöht. Eine Respektlosigkeit gegenüber biologischen oder sonstigen Frauen war allerdings nicht intendiert. Im Gegenteil waren es die Berliner Piraten, die im AGH sogar eine eigene Toilette für Menschen eingerichtet haben, die sich weder dem einen, noch dem anderen Geschlecht zuordnen und ihre Würde bewahren wollen. Den Spott durch Ignoranten nahmen die Piraten bewusst inkauf.

Am Text der AfD ist auch die Reihenfolge "Männer und Frauen" interessant, welche mit der nicht zuletzt in akademischen Kreisen gepflegten Tradition "Ladies first" bricht. Derartige Defizite auf dem gesellschaftlichen Parkett passen eigentlich nicht so recht zu einer "Professorenpartei". Immerhin haben die Professoren der AfD herausgefunden, dass "Männer und Frauen" verschieden sind, so dass bei weiteren Erkenntnissen in diese Richtung auf Nachwuchs gehofft werden darf. Der Text hat der AfD allerdings auf Facebook eine Gender-Diskussion beschert, deren Dauer, Intensität und Kollateralschäden derzeit nicht abzusehen sind. Im digital ausgetragenen Streit sind die Geschlechter erfahrungsgemäß allerdings einander ebenbürtig. Der Beweis wird voraussichtlich in wenigen Minuten hier im Leserforum geführt werden.

Disclosure: Der Autor ist Bundestagskandidat der Piratenpartei.