Peer Steinbrück versenkt die Glaubwürdigkeit seiner Partei in Rekordzeit

Im Kampf gegen Korruption haben die Sozialdemokraten bisher große Töne gespuckt

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Der schwarz-gelben Koalition Klientelpolitik zu Gunsten reicher Steuerhinterzieher , der Versicherungswirtschaft. der Hoteliers und anderer finanzstarker Interessengruppen vorzuwerfen, gehört seit Jahren zum Standardrepertoire der SPD. "Union und FDP missachten das Gemeinwohl", schimpfte der SPDler Martin Dörmann schon 2010, und auch Peer Steinbrück will es sich bei seiner ersten Rede als Kanzlerkandidat nicht nehmen lassen, schwarz-gelb der Klientelpolitik zu zeihen. Mit viel Tamtam machen die Sozialdemokraten deshalb im Bundestag mobil gegen Abgeordnetenbestechung – wohl wissend, dass ihre Initiativen derzeit chancenlos sind, da sie von Union und FDP abgeschmettert werden.

Trotzdem sind derart deutliche Signale wichtig, um die Wähler zu überzeugen. Seht her, wir wollen uns nicht korrumpieren lassen, wir setzen uns ein für moralisch saubere, gemeinwohlorientierte Politik! Für gewöhnlich hält derartige Rhetorik bis zum Wahlabend. Die SPD hat es dank ihres Kanzlerkandidaten Steinbrück jedoch geschafft, ihre Glaubwürdigkeit innerhalb nur einer Woche zu verlieren – noch bevor die heiße Wahlkampfphase überhaupt begonnen hat.

Denn auf Fragen nach seinen umfangreichen Nebentätigkeiten als Vortragsreisender, unter dem offensichtlich auch seine Haupttätigkeit als gewählter Volksvertreter zu leiden hatte, reagiert Steinbrück äußerst ungehalten. Von welchen Unternehmen er genau für seine Reden Geld erhalten hat, ist bislang nicht genau bekannt.

Steinbrück hat, und das ist laut geltender Rechtslage auch vollkommen ausreichend, für zahlreiche seiner Vorträge nur diverse Redneragenturen als Auftraggeber genannt. Wer hinter den Aufträgen wirklich steckt, ist unbekannt. Zwar hat Steinbrück mittlerweile widerwillig zugestimmt, die Namen zu nennen. Ein Zeichen dafür, dass er sich mit mehr verpflichtender Transparenz anfreunden kann, ist das jedoch nicht. Im Gegenteil: Transparenz gebe es nur in Diktaturen, so der SPD-Spitzenkandidat, der angetreten ist, die schwarz-gelbe Klientelpolitik zu beenden. Die Debatte um ihn bestärke nur die Ressentiments der Wähler über Politiker, die in einem System der Vorteilsnahme lebten.

Dabei sind Rednerhonorare in der Höhe von 7.000 Euro und aufwärts, wie Steinbrück sie gern von der Wirtschaft entgegennahm, durchaus ein Anzeichen von Vorteilsnahme. Denn wenn es tatsächlich stimmt, dass Steinbrück vor zahlendem Publikum nichts anderes sagt, als er sonst, gratis, auch in der Öffentlichkeit erzählt, dann kann dies nur eines bedeuten: Die Honorare fließen nicht, weil Steinbrück sich besonders viel Mühe gemacht hat, einen ausgefeilten Vortrag für den jeweiligen Anlass auszuarbeiten. Wäre es den Unternehmen, die Steinbrück eingeladen haben, tatsächlich um den Inhalt gegangen, hätten sie ganz preiswert auch eine aktuelle Parteitags- oder Bundestagsrede einspielen können. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wäre bedeutend besser gewesen.

Ebenso abwegig ist der Gedanke, die Finanzwirtschaft zahle das Geld für Steinbrücks Expertise. Einen Hedgefonds könnte dort wohl jeder im Publikum treffender beschreiben, als es Steinbrück kann. Wenn das Geld also nicht für kluge Reden und Wissen fließt, so muss der Hintergrund ein anderer sein: Die Unternehmen kaufen Nähe zu einem Politiker, von dem sie sich in Zukunft, wenn er wieder Mitglied einer Regierung sein wird, eine passende Politik erhoffen. Aus dem gleichen Grunde hat der Rent-a-Rüttgers-Skandal in Nordrhein-Westfalen derart hohe Wellen geschlagen.

Mit ihrem Kampf gegen politische Korruption ist die SPD dank Steinbrück unglaubwürdig geworden, noch bevor der Wahlkampf überhaupt begonnen hat. Das dürfte einen neuen Rekord darstellen. Denn offenbar hat die SPD kein Problem mit Klientelpolitik an sich. Sie scheint vielmehr ein Problem damit zu haben, nicht an vorderster Front mitmischen zu dürfen.