"Jeder, der versucht, den Taksim-Platz zu betreten, wird als Terrorist betrachtet"

Wieder geht die türkische Polizei unverhältnismäßig hart gegen die Protestbewegung vor und hat den Taksim-Platz und den Gezi-Park geräumt

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Mit mittlerweile gewohnter Härte hat die Polizei den Taksim-Platz geräumt. Eine Stunde nach Ablauf des von Regierungschef Erdogan gesetzten Ultimatums rückte die Polizei, nachdem sie die Anwesenden aufgefordert hatte, sich zu entfernen, mit Tränengas und Wasserwerfern vor und nahmen auch den Gezi-Park ein. Die dort noch befindlichen Zelte wurden ebenso wie die errichteten Barrikaden zerstört. Die Protestierenden hatten beschlossen, im Park zu bleiben, aber die Barrikaden und politischen Spruchbänder zu entfernen, womit sie bereits begonnen hatten, als die Polizei vorrückte.

Völlig unnötig hart ging die Polizei auch gegen Verletzte vor, die im Divan-Hotel am Park Schutz gesucht hatten. Das Hotel war seit Beginn der Proteste als eine Art Behandlungsraum genutzt worden. Die Polizei umstellte das Hotel und brach die Türen auf. Die Verletzten flohen in die oberen Zimmer, wie der Direktor der türkischen Sektion von Amnesty International berichtete. Daraufhin schoss die Polizei Tränengas durch die Türen in das Hotel.

Während Istanbuls Gouverneur in der Nacht von 44 verletzten Personen sprach, dürften es in Wirklichkeit weitaus mehr sein. Die Türkei ging auch mit Tränengas gegen Ärzte vor, die Verletzte behandelten. Der Generalsekretär der türkischen Ärztekammer, Ali Çerkezoğlu, sprach von einer schwarzen Nacht. Nach der Taksim-Plattform wurden Hunderte verletzt, oft durch Gummigeschosse, zahlreiche Menschen wurden festgenommen. In vielen Teilen der Stadt kam es zu Demonstrationen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Diese sperrte beispielsweise die Bosporus-Brücke, um Demonstranten aus dem asiatischen Teil zu hindern, Richtung Taksim-Platz zu marschieren.

Hüseyin Çelik, der Sprecher der AKP, machte mit seinen Bemerkungen die autoritäre Haltung der Partei und des Regierungschefs noch einmal deutlich. Man habe mit der Evakuierung nicht bis Sonntag warten können. Er kritisierte die Mitglieder der Taksim-Plattform, mit denen sich Erdogan getroffen hatte, dass sie nach dem Treffen nicht zur Beendigung der Proteste aufgerufen hatten, wie das Erdogan verlangt hatte und sich nun angeblich getäuscht fühlt, weil die Protestbewegung nicht auf seinen Kompromiss eingegangen ist. "Der Premierminister des Landes trifft sich mit ihnen für 10 Stunden, erreicht eine Vereinbarung, dann sagen sie hinter seinem Rücken etwas anderes. Würden Sie sich nicht auch ausgetrickst fühlen", fragte rhetorisch Çelik.

Die Taksim-Plattform ruft für den Nachmittag zu einer Demonstration auf. Das findet Istanbuls Gouverneur, der sich vor kurzem fast bei den Besetzern des Parks einschleimen wollte, gar nicht gut. Er fordert die Menschen auf, sich daran nicht zu beteiligen. Währenddessen hat die Polizei den Taksim-Platz eingekesselt. Einige Kilometer entfernt will die AKP eine Massendemonstration für Erdogan und gegen die Proteste organisieren. Und der EU-Minister Egemen Bağış legt noch einen drauf und erklärte, dass "jeder, der versucht, den Taksim-Platz zu betreten, als Terrorist betrachtet wird". Um den Platz versammeln sich immer wieder Protestierende.