Von den Schwierigkeiten, einen Flughafen zu eröffnen

Nun wird auch klar, warum Wowereit die Große Koalition vorgezogen hatte

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Eigentlich sollte erst am kommenden Freitag bekannt gegeben werden, dass die Eröffnung des Hauptstadtflughafens bei Berlin abermals verschoben wird. Jetzt wird ein Zeitraum zwischen dem 20. und 27. Oktober 2013 genannt, wenn die Winterflugpläne in Kraft treten. Diese erneute Verschiebung ist nicht mehr so überraschend wie es das Canceln der mit vielen Plakaten schon wochenlang zuvor angekündigten Einweihung des Willy-Brandt-Flughafens am 3. Juli dieses Jahres war. Allerdings wird das Projekt durch die terminliche Streckung noch um einige Millionen teurer. Vor allem viele Unternehmer, die langfristige Verträge auf dem neuen Areal geschlossen haben, sind sauer. Auch manche Tegeler Bewohner, die froh waren, endlich auch mal ein Open-Air-Konzert organisieren zu können, waren düpiert. Aber die Berliner, die schließlich im Nahverkehr tagtäglich Geduld zeigen müssen, reagieren eher mit Schulterzucken auf die erneute Vertagung. Manche bieten auch schon Wetten auf den Zeitpunkt an, an dem die erneute Verschiebung bekannt gegeben wird.

Wowereit hat mit großer Koalition vorgesorgt

Anders reagiert die politische Klasse in Berlin. Die erneute Verschiebung der Eröffnung wird die seit Wochen stetig sinkenden Sympathiewerte für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit sicher nicht erhöhen. Doch der hat vorgesorgt. Manche haben sich gewundert, warum er nach den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus nicht das von seiner Parteibasis und vielen seiner Wählern favorisierte Regierungsbündnis mit den Grünen eingegangen ist, sondern die große Koalition mit der Union vorgezogenen hat.

Seit einigen Wochen ist klar, warum Wowereit gegen heftige Widerstände diese Kooperation suchte. Denn als Bürgermeister einer rotgrünen Koalition, die nur eine Stimme Mehrheit vorweisen konnte, hätte er sich nach dem Debakel um den Hauptstadtflughafen, über das er als Aufsichtsvorsitzender sicher weniger überrascht als die meisten Zeitungsleser war, Sorgen um den Bestand seiner Regierung machen müssen. Bei der großen Koalition können in beiden Parteien einige Parlamentarier querschießen und die Mehrheit für Wowereit steht noch immer. Zudem muss die Union jetzt offiziell Wowereit den Rücken freihalten und Kritik und Rücktrittsforderungen ihren Brandenburger Parteifreunden, die dort in der Opposition sind, überlassen.

Dafür konnten die Berliner Grünen ihre Oppositionsrolle umso lautstarker wahrnehmen und zumindest den Rücktritt Wowereits vom Posten des Aufsichtsrates des Flughafens fordern. Zudem können sie sich etwas in Interessenvertretung der Bürger üben, indem sie die Bewohner der Region um den Flughafen unterstützen, die nach einer Flugroutenänderung vergeblich ein neues Planfeststellungsverfahren forderten und nun die Verzögerung der Flughafeneröffnung nutzen, um auf eine Nachrüstung beim Lärmschutz zu drängen.

Wäre ihre Wunschkoalition in Erfüllung gegangen, hätte man die grünen Parlamentäre genauso verdruckst den Bürgermeister unterstützen hören wie jetzt die Union. Soweit bleibt alles im parlamentarischen Bereich und das Gezerre der Flughafeneröffnung gibt unfreiwillig einen guten Einblick in die Konstruktion der Rollen von Regierung und Opposition in der bürgerlichen Demokratie.

Zahlen die Beschäftigten die Zeche?

Wer in den Verzögerungen einen Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland sieht, vergisst, dass es im Ausland sicher wichtigere Probleme als das Eröffnungsprozedere eines Airports gibt, der international anders als Köln und Rhein/Main nicht besonders von Interesse ist.

Die größten Opfer für die Verzögerungen konnten wieder einmal die Beschäftigten auf den Flughafen zahlen. Von Anfang an war klar, dass ein Großteil zu prekären Bedingungen arbeiten wird. Jetzt nehmen die Unternehmen die durch die Eröffnungsverzögerungen entstandenen Kosten zum Anlass, um die Arbeitsbedingungen noch weiter zu drücken.

"Dieser Flughafen entwickelt sich zu einem Versuchslabor für immer prekärere Arbeitsverhältnisse in der Region", sagte Ver.di-Sekretär Max Bitzer auf einer Konferenz vor einer Woche. Da stand die erneute Verzögerung der Eröffnung noch gar nicht fest.