BMJ-Gesetzesentwurf zu Zweitverwertungsrecht wissenschaftlicher Werke unter Beschuss

Zahlreiche Einschränkungen im Reformvorschlag des Bundesministeriums der Justiz lassen an dessen Praxistauglichkeit zweifeln - zudem werden Forscher an Hochschulen benachteiligt

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Ein vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) am 10.04. veröffentlichter Entwurf zu Änderungen im Urheberrechtsgesetz (UrhG) steht bereits einen Tag nach Bekanntmachung heftig in der Kritik. Der Entwurf sieht Anpassungen in Sachen Open Access und im Umgang mit sogenannten verwaisten Werken vor, deren Rechteinhaber nicht mehr ermittelt werden können. Im als reformierungswürdig erachteten §38 soll es unter Absatz 4 künftig heißen:

"Der Urheber eines wissenschaftlichen Beitrags, der im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen ist, hat auch dann, wenn er dem Verleger oder Herausgeber ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, das Recht, den Beitrag nach Ablauf von zwölf Monaten seit der Erstveröffentlichung in der akzeptierten Manuskriptversion öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient."

Damit wäre prinzipiell das von Wissenschaftsorganisationen schon lange geforderte Zweitverwertungsrecht greifbar nahe, und Wissenschaftler könnten verlagsgebunden erschienene Werke ohne umständliche Verhandlungen mit Verlagen Open Access verfügbar machen.

Die Linke beklagt jedoch in einem Blog-Posting die zahlreichen Einschränkungen: Der Ausschluss gewerblicher Nutzungen verhindere, dass ein Artikel auch nach Ablauf der vorgesehenen Jahresfrist in einem Sammelband oder einem anderen kommerziellen Verlagsprodukt erscheinen könne. Zudem sei die Embargo-Frist, vor allem für schnelllebige Wissenschaften, zu großzügig bemessen. Auch der Umstand, dass man nur die finale Manuskriptversion (und nicht die Verlagsversion) des Textes Open Access stellen darf, schmälere die Praxistauglichkeit des Vorschlags erheblich.

Die Wissenschaftsblogs stießen ebenfalls auf Lücken: Heinz Pampel verweist in wisspub.net auf eine eklatante Einschränkung des Zweitverwertungsrechts im Entwurf. Auf Seite 22 heißt es in den Ausführungen zur Vorlage, das Recht umfasse nur "Forschungstätigkeit, die im Rahmen der öffentlichen Projektförderung oder an einer institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtung durchgeführt wird."

Folglich wären Publikationen, die an Hochschulen entstehen und keinen Bezug zu einer Projektförderung aufweisen, von der Regelung ausgenommen – obwohl zweifelsohne auch diese in den weit überwiegenden Fällen von der öffentlichen Hand finanziert sind. Der Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen, unter anderem Sprecher des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft, moniert dieses Modell sowie die Nichtberücksichtigung von Publikationstypen wie Sammel- oder Konferenzbänden, die in nicht wenigen Disziplinen integrale Elemente der Wissenschaftskommunikation sind.

Die Grünen kommentieren in einer Pressemitteilung ähnlich kritisch:

"Der Gesetzentwurf benachteiligt wissenschaftliche Autorinnen und Autoren an den Universitäten, die von dem Zweitveröffentlichungsrecht ausgeschlossen werden sollen. Der Entwurf der Bundesregierung begrenzt das Zweitveröffentlichungsrecht auf Werke von Personen, die aus öffentlichen Projektmitteln gefördert werden oder an außeruniversitären Forschungseinrichtungen arbeiten. Damit wird es zum Beispiel nicht ermöglicht, eine aus der Hochschulforschung entstandene wissenschaftliche Publikation frei zugänglich zu machen."