Von "digitalen Außenseitern" und der "digitalen Avantgarde"

Noch immer sind zwei Drittel der Deutschen nicht wirklich in der digitalen Gesellschaft angekommen, schimpft die Initiative D21

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Die Deutschen sind noch immer nicht in der digitalen Gesellschaft angekommen, sagt die 1999 gegründete Initiative D21 erneut, der das alles viel zu langsam geht. Die Entwicklung sei zwar erfreulich, heißt es zur Veröffentlichung des zweiten Teils der Studie Die digitale Gesellschaft - sechs Nutzertypen im Vergleich, aber eigentlich sollen gerade erst 37 Prozent in der digitalen Gesellschaft angekommen sein. Genannt werden diese Menschen die "digitalen Souveränen", zu denen wir alle werden sollen.

Aber offenbar befinden wir uns noch im Stadium eines Entwicklungslandes, denn 63 Prozent gehören noch nicht zu diesen Souveränen. Das sei "kein tragbarer Zustand", sagt Robert Wieland von Infratest, der Mitglied des Gesamtvorstandes von Initiative D21 ist. Und da 28 Prozent das Internet gar nicht nutzen, lebt diese große Minderheit der "digitalen Außenseiter" in einer Parallelgesellschaft. Obwohl doch schon erheblich von 35 Prozent 2009 geschrumpft, wird gewarnt, dass es sich hier um eine hartnäckige Gruppe handeln soll, die den "Anschluss an die digitale Welt" immer weiter verliert. Es wird vom "digitalen Prekariat" oder von der "Offline-Unterschicht" gesprochen. Ist man also als "digitaler Souverän" automatisch schon Mitglied der Online-Oberschicht? Die Gruppe besteht vorwiegend aus älteren Menschen (Durchschnittsalter 64,9 Jahre) mit einem höheren Anteil an Frauen. Meist geringeres Bildungsniveau, meist nicht berufstätig, meist unterdurchschnittliches Einkommen.

Neben den Verweigerern, die wohl zum Teil das Internet für ihr Leben nicht brauchen und ohne es auskommen, was aus der Perspektive von Initiative D21 als ungehörig erscheint und zu Überlegungen führt, wie man sie zum Eintritt in den digitalen Himmel verführen kann, gibt es auch 28 Prozent Geringnutzer. Während das Prekariat etwa nicht weiß, was eine Email ist oder nichts auf dem Computer schreiben kann, besitzen die Geringnutzer immerhin "Basiskompetenzen in Internetrecherche und Textverarbeitung. Bei der Nutzungsvielfalt beschränken sich die Gelegenheitsnutzer allerdings meist nur auf E-Mail, Internetsuche und Textverarbeitung". Und 7 Prozent der Deutschen sind zwar in der Arbeit, aber nicht privat online.

Gefallen finden dagegen die gut vernetzten und mit digitaler Technik ausgestatteten "Trendnutzer". Deren Anteil habe sich fast auf nun 20 Prozent verdoppelt, sie tragen auch als Konsumenten die wirtschaftliche Entwicklung, weil sie sich natürlich mit den notwendigen Geräten, Diensten und Statussymbolen ausstatten. Wenig verwunderlich ist, dass Note- und Netbooks sowie vor allem Smart Phones die Menschen zu heftigen Internetnutzern werden lassen. Allerdings sind die Trendnutzer nur die Mittelklasse der digitalen Klasse. Sie sollen über die "Kompetenzen über die digitale Welt" verfügen. Ihr Verhalten ist, wie man es sich erwünscht: Sie gehen "spielerisch und ohne große Verlustängste an die digitalen Themen heran".

Ganz oben an der digitalen Gesellschaft stehen aber die "digitalen Profis" (12 Prozent) und schließlich die Elite der "digitalen Avantgarde" (5 Prozent), das Vorbild für uns alle. So werden die Avantgardisten uns schmackhaft gemacht: Die Avantgarde "verfügt über die beste digitale Infrastruktur aller Gruppen. Auffallend hoch ist darüber hinaus die mobile und geschäftliche Internetnutzung. Mit ihrer hohen Kompetenz in der digitalen Technik bildet diese Nutzergruppe die Spitze der Gesellschaft. Angeeignet haben sie sich diese auch durch die beinahe zehn Stunden, die sie im Durchschnitt täglich vor dem Computer verbringen." Ja, das ist die digitale Gesellschaft, die 10 Stunden sind allerdings ausbaufähig, schließlich hat der Tag 24 Stunden. Schmackhaft wird dieser Lebensstil gemacht, weil diese Gruppe das höchste Bildungsniveau und die höchsten Einkommen besitzt. Sie hat mit 33,8 Jahren das jüngste Durchschnittsalter - und der Anteil der Männer ist erhöht. Infrastruktur heißt, dass die Mitglieder der digitalen Avantgarde am meisten Geräte (Computer, Drucker, Notebook, Webcam, digitale Kamera, Scanner, digitales Hifi-Gerät) privat besitzen, also auch die besten Konsumenten sind.