Zugespitzte Rezession in der Eurozone

Die EU-Kommission passt die Frühjahrsprognose an und weicht die Stabilitätsziele immer weiter auf

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Besonders schlechte Nachrichten hatte die EU-Kommission für die Länder im Süden Europas, als am Freitag die Frühjahrs-Prognose vorgestellt wurde. Brüssel geht nun davon aus, dass sich die Rezession in der gesamten Eurozone im laufenden Jahr zuspitzen wird. EU-Währungskommissar Olli Rehn erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Euroraum um 0,4% schrumpfen wird. Noch im Februar wurde von 0,3% ausgegangen. Für Deutschland wurde das prognostizierte schwache Wachstum von bisher 0,5 auf 0,4% nach unten korrigiert. Für 2014 hofft Rehn optimistisch auf ein Wachstum von 1,2 Prozent.

Hatte Brüssel zuvor für Frankreich 2013 ein Minimalwachstum von 0,1% erwartet, soll dessen Wirtschaft nun um genau diesen Wert schrumpfen. Auch die Prognosen für die großen Euro-Länder Spanien und Italien wurden korrigiert. Spanien soll statt um 1,4 nun um 1,5% schrumpfen und für Italien fällt die Korrektur sogar noch deutlicher aus. Schätzte Brüssel bisher, das BIP werde um 1% sinken, sollen es nun 1,3% sein. Fatal wird es für das abgestürzte Zypern, dessen Wirtschaft um 8,7% schrumpfen soll, in Griechenland soll sie erneut um 4,2% schrumpfen.

Für Portugal wird erwartet, dass das BIP statt um 1,9 nun um 2,3% sinkt, nachdem es im Vorjahr schon um 3,2% geschrumpft war. Doch sicher ist man sich in Brüssel bei dieser Angabe wie auch beim spanischen Nachbarn nicht. Schon jetzt hält die EU-Kommission weitere Anpassungen nach unten für möglich, weil sich die "Exportaussichten" genauso verschlechterten wie die Lage am Arbeitsmarkt.

Für Spanien wird darauf verwiesen, dass neue Sparprogramme noch nicht eingerechnet wurden. Vor allem die erhoffte Erholung 2014 steht auf wackeligen Beinen. Brüssel prognostiziert ein Wachstum von 0,9% und begibt sich damit in krassen Gegensatz zu Experten im Land. Die zweifeln sogar die moderatere Prognose der spanischen Regierung an. Die Konservativen erwarten 2014 nur ein Wachstum von 0,5%. Der Koordinator des Instituts für Börsenstudien (IEB) Miguel Ángel Bernal hält sogar diese Prognose für gewagt. "Verhält sich der Arbeitsmarkt so, wie wir es erwarten, sind die 0,5% angesichts eines einbrechenden Konsums wegen der ständig steigenden Arbeitslosigkeit unmöglich."

Doch auch Brüssel sieht am Arbeitsmarkt keine Entspannung und vermutet, dass die "Arbeitslosigkeit 2013 im Durchschnitt auf 27% steigt". Die Europäische Statistikbehörde gibt die Quote mit 26,7% an, während das Statistikamt (INE) Ende März schon 27,2% festgestellt hat. Die EU-Wachstumsprognose für 2014 steht aber auch im Widerspruch zur Annahme der EU-Kommission, die davon ausgeht, dass Madrid die Defizitziele 2013, 2014 und 2015 verfehlen wird.

Mit 10,6% ist Spanien 2012 sogar an die Spitze der Defizitsünder noch vor Griechenland vorgerückt, obwohl das Defizit auf 6,3% fallen sollte. Auch in Portugal und Griechenland ist das Defizit wieder gestiegen. 2013 erwartet Brüssel optimistisch für Spanien ein Haushaltsdefizit von 6,5%. Doch dafür wären weitere massive Einsparungen nötig. Das vereinbarte Ziel von 4,5% ist in weite Ferne gerückt. 2014 soll das Defizit sogar wieder auf 7% steigen. Für Experten passt das nicht damit zusammen, dass die Wirtschaft dann angeblich wieder wachsen soll.

Verlangsamung soll zur Lösung beitragen

Wie Frankreich soll auch Spanien mehr Zeit zum Defizitabbau erhalten. "Angesichts der wirtschaftlichen Situation ist es vernünftig, den Termin um zwei Jahre zu verschieben und das übermäßige Defizit bis 2015 zu korrigieren", sagte Rehn. Eine Konjunkturbelebung wird davon aber genauso wenig erwartet wie durch die Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) auf das historische Rekordtief von 0,5%. (http://www.heise.de/tp/artikel/39/39050/1.html) Schon zwei Mal wurde das Ziel nach oben angepasst und das Land erhielt mehr Zeit, um das Stabilitätsziel von 3% wieder einzuhalten. Doch durch den strammen Austeritätskurs verschärfte sich die Rezession nur weiter und die Arbeitslosigkeit kletterte wie in Portugal und Griechenland auf immer neue Rekorde.

Nun setzt sich auch in Brüssel die Erkenntnis durch, dass mit einer steigenden Arbeitslosigkeit nicht nur Defizitziele illusorisch werden. Rehn meinte, dass die "sehr hohe Arbeitslosigkeit" in einigen Mitgliedsländern "den sozialen Zusammenhalt" gefährdeten. "Angesichts der sich hinziehenden Rezession müssen wir nun alles daransetzen, die hohe Arbeitslosigkeit in Europa zu überwinden." Zwar liege die Fokussierung auf einem "nachhaltigen Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen", doch das nimmt sich wie die Quadratur des Kreises aus, weil gleichzeitig die "öffentlichen Finanzen weiter konsolidiert" werden sollen. Dabei werde nur die "Gangart" langsamer.

Wie nachhaltiges Wachstum geschaffen werden soll, wenn nicht viel Geld für gezielte Investitionen in die Hand genommen wird, bleibt völlig unklar. Denn auch die Verschuldung steigt in allen Ländern, weshalb immer mehr Geld aus dem Haushalt in den Schuldendienst fließt und immer weniger Geld für Bildung, Gesundheit, Forschung und Entwicklung und Infrastrukturprojekte zur Verfügung steht.