Kein Crash in Sicht

Chinas Zusammenbruch wurde schon oft vorhergesagt, bisher lagen alle Schwarz-Seher jedoch reichlich daneben

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Seit 1997/98 die Asienkrise nicht nur die dortige Region erschütterte sondern auch in Russland, Brasilien und anderen Schwellenländern schwere Turbulenzen auslöste, sind in regelmäßigen Abständen Stimmen zu vernehmen, nun sei der Kollaps des chinesischen Wirtschaftswunders nicht mehr fern. In früheren Jahren waren die Exportabhängigkeit und fragwürdige Statistiken oft gehörte Argumente. Auch auf die seinerzeit oft mangelnde Fertigungstiefe der Exporteure konnte verwiesen werden. Wenn nämlich nicht nur Rohstoffprodukte sondern auch Chips und diverse andere Vorprodukte erst importiert werden müssen, dann täuschen imposante Exportzahlen darüber hinweg, dass die inländische Wertschöpfung eher gering ausgefallen ist.

Doch diese Zeiten sind vorbei, das Land der Mitte hat seit Beginn des Jahrtausends in atemberaubendem Tempo technologisch aufgeholt. Im vergangenen Jahrzehnt hatte die chinesische Führung oft mit Überhitzung zu kämpfen, ein anderer Aspekt, der die Doomsday-Propheten auf den Plan rief. Immerhin war zu Beginn der 1990er Jahre die Wirtschaft wegen zu schnellem Wachstums aus den Ruder gelaufen. Das Ergebnis war eine klassische Überproduktionskrise, deren Auswirkungen seinerzeit im wesentlichen auf die Volksrepublik beschränkt blieben. Heutigen Tags wäre das aufgrund der Rolle, die das Land inzwischen im Welthandel einnimmt, sicherlich anders. Unter anderem gibt es inzwischen dank der Entwicklung Chinas einen ausgeprägten Süd-Süd-Handel, also einen Handel zwischen Entwicklungsländern, der in den 1980ern und 1990ern Jahren so gut wie nicht existent war.

Auffällig an der Entwicklung der letzten Jahre ist indes nicht nur, dass die chinesische Wirtschaft die jüngste Finanzkrise nahezu unbeschadet überstand und nur nach wenigen Monaten – auch aufgrund eines umfangreichen Konjunkturprogramms – wieder Tritt fasste, sondern dass es der Führung in Beijing (Peking) zuvor immer wieder gelungen war mit einer Mischung aus administrativen Maßnahmen und makroökonomischen Hebeln die Wirtschaft im richtigen Moment wohl dosiert abzukühlen. Zum Beispiel gab es wiederholt Anweisungen die Eigenkapitalquoten der Banken zu erhöhen, womit die Kreditmenge gedeckelt wurde, oder es gab auch ganz konkrete Anweisungen in bestimmten Branchen für bestimmte Zeit den Bau neuer Fabriken zu verbieten.

Die neueste Episode in der immer wiederkehrenden Steht-der-China-Crash-bevor-Geschichte ist die deutlich überhitzte Lage an den Immobilienmärkten vieler chinesischer Großstädte. Dort werden wie irre neue Wohnungen gebaut, mit all den unschönen Begleiterscheinungen, wie man sie aus aller Welt aus dem Baugewerbe kennt: Jede Menge Spekulation und Preistreiberei, windige Geschäfte, Verdrängung der alteingesessene Bevölkerung, deren Widerstand wenn nötig mit Polizeigewalt gebrochen wird. Ganz so, wie man es aus Berlin, Seoul, Tokyo, Sao Paulo, Manila oder vielen anderen Städten in aller Welt kennt. Nebenbei bemerkt: Die Zahlen der in China gebauten Einheiten sind zwar gewaltig, aber bei knapp 800 Millionen Menschen, die immer noch auf dem Land leben und zunehmend in die Städte drängen, eher klein. Das Problem ist nicht der mangelnde Bedarf sondern höchstens eine zu geringe kaufkräftige Nachfrage.

Um genau das zu vermeiden wurden in den letzten Monaten teilweise auf regionaler, teilweise auf staatlicher Ebene Maßnahmen wie Kreditbremsen oder Beschränkungen für den Besitz von Zweitwohnungen erlassen. Einige staatliche Unternehmen erhielten auch Anweisungen, sich aus dem Immobiliengeschäft zurückzuziehen. In Shanghai hat das nach einem Bericht der Zeitung China Daily inzwischen dazu geführt, dass der Verkauf von Wohnungen stark zurückgegangen ist und die Preise zu sinken beginnen. Ob die Maßnahmen richtig dosiert waren oder die Preise nun zu stark zurückgehen, lässt sich im Augenblick noch nicht sagen.

So oder so ist aber eher unwahrscheinlich, dass eine Immobilienkrise zur Zeit die chinesische Wirtschaft ernsthaft ins Straucheln bringen könnte. Das Land ist noch immer weit davon entfernt einen gesättigten Konsumentenmarkt zu haben. Außerdem sind die chinesischen Bürger ganz anders als die US-Amerikaner eifrige Sparer, haben also trotz bescheidener Verhältnisse in der Summe ziemlich viel Geld auf der hohen Kante, dass die Regierung durch geeignete Maßnahmen wie Ausbau der sozialen Sicherungssysteme aktivieren könnte. Mit knapp 400 Milliarden US-Dollar ist außerdem die chinesische Auslandsverschuldung eher moderat, vor allem angesichts eines Devisenschatzes von weit über zwei Billionen US-Dollar, sodass auch von dieser Seite keine Gefahr droht.