Einführung von Netzsperren durch die Hintertür - zweiter Versuch

CCC und AK Vorrat warnen vor dem "GlüStV"

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Am Wochenende veröffentlichte der Chaos Computer Club (CCC) den ihm zugespielten Entwurf eines "Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland" (GlüStV). In § 9 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 dieses Protogesetzes mit abschreckend unspektakulärem Namen verbirgt sich eine Passage, in der es heißt, die Glücksspielaufsicht könne "Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes [...] die verantwortliche Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen". Dieser Satz 1, so der Entwurf weiter, könne das in Artikel 10 des Grundgesetzes geschützte Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses legal einschränken.

Für den Chaos Computer Club und Alvar Freudes Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) ist diese Klausel "ein weiterer Versuch, eine Zensurinfrastruktur in Deutschland aufzubauen". Der AK Zensur forderte die Ministerpräsidenten der Länder deshalb öffentlich dazu auf "umgehend den Stand der Verhandlungen offenzulegen und die Zivilgesellschaft zu beteiligen". Aus den Staatskanzleien war heute Morgen noch kein Kommentar zu dieser Aufforderung zu bekommen.

In einer letzte Woche von der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt verschickten Pressemitteilung hieß es, dass sich bis auf die schleswig-holsteinische alle Länderregierungen über den Staatsvertragsentwurf einig seien – also auch solche mit Beteiligung der Grünen oder der Linkspartei. Und dem Carstensen-Kabinett geht es nach Informationen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages nicht um Bürgerrechte, sondern um die Zahl der Lizenzen, die ausländischen Glücksspielunternehmen erteilt wird.

Eine Verhandlung unter Beteiligung der Öffentlichkeit anstatt wie bisher in "Kungelrunden" wäre nach Ansicht des AK Vorrat unter anderem deshalb angebracht, weil die umstrittene Eingriffspassage keine Informationen dazu enthält, welche Sperrtechnik zum Einsatz kommen soll. Die Bürgerrechtsorganisation befürchtet wegen dieser Unklarheit, "dass die Eingriffe diesmal noch über die geplanten Stoppschilder des Zugangserschwerungsgesetzes hinausgehen sollen", beispielsweise durch eine "Überwachung des gesamten Netzverkehrs" via Deep Packet Inspection.

CCC-Sprecher Dirk Engling zeigte sich angesichts der in einem Staatsvertrag mit sehr bedingtem Aufmerksamkeitspotenzial versteckten Zensurtretmine enttäuscht darüber, dass "nach den monatelangen Debatten über Netzsperren und dem politischen Scheitern dieser technisch kontraproduktiven und die Demokratie gefährdenden Maßnahmen [...] offenbar noch immer kein Umdenken in den Staatskanzleien der Länder eingesetzt" habe. "Stattdessen", so Engling, lege die Politik "eine erstaunliche Lernresistenz an den Tag".