Deutsches Quecksilber kein Problem

Bundesumweltminister hält Quecksilber für ein globales Problem, will aber nicht lokal handeln

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In Nairobi haben die Umweltminister aus über hundert Ländern auf der Jahrestagung des UN-Umweltprogramms UNEP am Freitag einen wichtigen Beschluss gefasst: Es sollen Verhandlungen "für ein weltweites Verbot von Quecksilber" aufgenommen werden, heißt es in einer Erklärung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. "Bindende Regelungen für die Produktion und Emission dieses hochgiftigen Stoffes" sollen gefunden werden.

Das ist löblich, denn immerhin handelt es sich bei Quecksilber um ein hochgefährliches Metall. Höhere Konzentrationen sind tödlich und schon vergleichsweise geringe mMengen führen zu Schädigung von Embryonen im Mutterleib und von Nervensytemen. Stutzig machen nur die hohen Töne, in denen der Beschluss von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gelobt wird: "Das angestrebte Quecksilberübereinkommen ist ein großer Erfolg aller Beteiligten. Unsere jahrelangen Anstrengungen und das teils zähe Ringen um einen Konsens im Kreis der Vereinten Nationen haben sich gelohnt. ...Die EU kann das Problem allein nicht lösen."

Da flunkert der Minister allerdings ein klein wenig. Die EU könnte zum Beispiel Deutschland verbieten, neue Kohlekraftwerke zu bauen. Die sind nämlich die reinsten Quecksilberschleudern. Eine knappe Tonne davon plant zum Beispiel der dänische Konzern Don Energy in seinem 1,6-Gigawatt-Kraftwerk in der Nähe von Greifswald jährlich in die Luft zu blasen (Siehe: Kohlekraftwerk im Touristenparadies). Und derlei Anlagen befinden sich hierzulande gleich dutzendweise in Bau oder Planung. Bei geschätzten 26 GW an Kohleneubauten kämen 14 bis 15 Tonnen Quecksilber zusammen, die Jahr für Jahr aus den Schornsteinen quillen. Nur aus den Neuanlagen wohlgemerkt.

Und was passiert damit? Quecksilber "ist persistent und reichert sich in der Umwelt an. Außerdem hat es die Fähigkeit, sich in Wasser, Boden und Luft über lange Strecken zu verbreiten", so der Minister. In seinem Ministerium ist man jedoch höchst erstaunt angesichts der Nachfrage von Telepolis, ob das Ministerium denn nun auch endlich gegen den Bau von Kohlekraftwerken sei. Nein, so ist zu erfahren, da bestehe kein Handlungsbedarf. Außerdem könne man die genannten Zahlen nicht bestätigen. Wie, das Ministerium hat keinen Überblick über die Zahl der geplanten Kohlekraftwerke? Äh, nein.

"Ein globales Übereinkommen zu Quecksilber hilft auch, deutsche und europäische Umweltstandards weltweit zu verbreiten", heißt es abschließend in der Pressemitteilung des Gabriel-Ministeriums. Um Himmels willen!