Operation "Gesicht wahren" in Afghanistan

Nachdem die USA an ihrer politischen Imageverbesserung in der muslimischen Welt gefeilt hat, will man sich mit der Großoffensive "Strike of the Sword" militärisch rehabilitieren

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Weniger Tote, weniger Zerstörung, dafür großräumige Kontrolle verspricht sich der US-Kommandostab von der Großoffensive "Khajar", die in der afghanischen Provinz Helmand begonnen hat. 4000 US-Marineinfanteristen, unterstützt mit gepanzerten Fahrzeugen, einem enormen Helikopteraufgebot, das mit Vietnam-Einsätzen verglichen wird, und 650 afghanischen Soldaten sollen den großflächigen Unruheherd im Süden des Landes von den Taliban befreien. Die neue Taktik bringt US-General Larry Nicolson auf eine griffige Formel:

"Wo wir hingehen, werden wir bleiben, wir werden die Stellungen halten und auf eine Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit an afghanischen Truppen arbeiten."

Trotz des schneidigen Namens der Operation - "Khajar" wird in englischsprachigen Medien meist mit einem "Schwerthieb" übersetzt, während deutschsprachige Übersetzungen sich mit "Krummdolch" oder "Schwert" begnügen - an der Sprache zumindest läßt sich eine Veränderung gegenüber den Neocons feststellen. Kein Wort mehr von Nationbuilding, von Shock and Awe.

Von der Eroberung der Hearts and Minds wird offiziell auch nicht mehr gesprochen, die US-Führung hängt die Ziele niedriger: Man will die Bevölkerung nicht weiter durch Bomben, die große Verluste unter den Zivilisten verursacht haben, gegen sich aufbringen. Bis zu den Wahlen im August will man beweisen, dass man erreichen kann, was man seit vielen Jahren verspricht, mehr Sicherheit. Letzlich geht es darum, den durch die Kriege im Irak und in Afghanistan angeschlagenen Ruf der mächtigsten Armee der Welt wiederherzustellen.

Welchen Erfolg die Operation Krummdolch haben wird, ist aber völlig ungewiss. Die Taliban und ihre militanten Verbündeten sind langjährige Meister des assymmetrischen Krieges. Die Gefangennahme eines amerikanischen Soldaten sorgte gestern für große Aufmerksamkeit in den Medien und Beunruhigung beim US-Miltär. Die Taliban - und die Bevölkerung - wissen, dass die Taliban aller Wahrscheinlichkeit nach den längeren Atem haben, die Zeit ist auf der Seite der Aufständischen, die mit Rückzug und gezielten, effektiven Aktionen operieren, die die Schwächen der großen Armee ausnutzen - darin hat man traditionel Erfahrung. Mit einem "Sieg" der westlichen Allianz unter Führung der USA rechnet keiner mehr. So geht es wohl hauptsächlich darum, das Gesicht zu wahren, die Welt und die Taliban mit dem riesigen Aufmarsch in deren Hochburg militärisch zu beeindrucken, und dafür zu sorgen, dass die militanten Islamisten bis zu den Wahlen an den Rand gedrängt werden. Danach beginnen die Verhandlungen, zu denen auch Talibanvertreter gehören werden.