Die Renaissance der Overlay-Journals

Mathematiker erproben das Publizieren ohne Verlage

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Im vergangenen Januar sorgte der Boykottaufruf gegen den Wissenschaftsverlag Elsevier für Aufsehen, mittlerweile über 13.000 Forscher bekennen sich unter thecostofknowledge.com dazu, für das Verlagshaus weder als Autor, noch als Gutachter oder Herausgeber tätig sein. Auslöser für den Protest war die exorbitant teure Preisgestaltung des Verlages sowie sein laxes Verhältnis zur wissenschaftlichen Integrität.

Timothy Gowers, Gewinner des wichtigsten Forscherpreises der Mathematik, der Fields-Medaille, und Mitinitiator des Elsevier-Boykotts formuliert nun in einem Blog-Post einen alternativen Ansatz zum verlagsgebundenen Publizieren.

Sein Vorschlag bringt eine bereits zu Beginn der 2000er Jahre diskutierte Open-Access-Variante, die Overlay-Journals, zurück auf die Agenda. Overlay-Journals stellen eine Art Bindeglied dar zwischen dem als Gold-Open-Access bezeichneten Publizieren in Open-Access-Journals und dem als Green-Open-Access titulierten Zugänglichmachen von bereits formal publizierten Dokumenten (oder deren Vorabversionen) auf speziellen Open-Access-Servern, den Repositoires. Anders als bei der - in aller Regel nicht-öffentlichen - Einreichung oder Submission von Artikelvorschlägen in klassischen wissenschaftlichen Zeitschriften beruhen Overlay-Journals auf dem Prinzip der sofortigen öffentlichen Zugänglichmachung eines wissenschaftlichen Textes.

Dazu nutzen Overlay-Journals die Open-Access-Repositories als Infrastruktur, die anschließende Begutachtung erfolgt wie bei gängigen Journals über eine Peer Review. Overlay-Journals folgen dem "publish first, filter later"-Konzept, bei dem die Bewertung eines Textes nach dessen Publikation und nicht vorab in einer verdeckten Prüfung erfolgt, und stehen im Ruf, eine sehr effiziente Publikationsstrategie darzustellen: Laut einer Untersuchung von Swan & Houghton aus dem Jahr 2012 wäre für Universitäten des Vereinigten Königreiches die Open-Access-Variante Overlay wirtschaftlich effektiver als die Umsetzung des Gold- oder Green-Open-Access.

Der französische Mathematiker Jean-Pierre Demailly (Université de Grenoble) plant nun mit einigen Kollegen, darunter Gowers, die Einrichtung einer Art mathematischer Journal-Familie mit der Bezeichnung "Episciences Project", unter dessen Label sich einzelne so genannte "epijournals" gruppieren können. Unterstützt wird das Vorhaben laut Nature unter anderem von der französischen Regierung, der Service soll im April 2013 online gehen. Die "epijournals" verfügen über selbstständige Herausgeber und Editorial Boards, gehostet werden sollen die Dokumente auf dem Open-Access-Repository arXiv. Autoren geben ihre Dokumente zuerst auf arXiv frei und schlagen sie anschließend zur Aufnahme in eines der "epijournals" vor. Wird das Paper akzeptiert, bleiben sowohl ursprüngliche Fassung als auch die (in aller Regel wohl überarbeitete) Journalversion erhalten. Über die Aufnahme neuer Journals in "Episciences" entscheidet ein Beirat, hinsichtlich formaler Fragen, wie der Finanzierung der Journals, haben die einzelnen Herausgeber anscheinend freie Hand.